"Ein erschütterndes Bild"

KELL AM SEE. Scheue Tiere bereiten der Ortsgemeinde Kell am See große Sorgen. Sie beklagt in ihren Wäldern enorme Verbiss- und Schälschäden durch Rotwild.

"Wer sich klar machen will, welche Schäden Wild verursachen kann, der sollte einmal durch unseren Distrikt Bärenschleid gehen. Dort bietet sich ein erschütterndes Bild." Quer durch alle Fraktionen wurde in der jüngsten Sitzung des Ortsgemeinderats Kell am See die Einschätzung von Dittmar Lauer (CDU) bestätigt, dass dringend etwas gegen die überhand nehmenden Schäden von Jungbaumbeständen im Gemeindewald getan werden muss. Der zuständige Saarburger Forstamtsleiter Eduard von Bomhard habe den Schaden allein in diesem Distrikt auf rund 280 000 Euro beziffert, nennt VG-Bürgermeister Werner Angsten im Gespräch mit dem TV eine konkrete Zahl. Der Grund: "Das Wild frisst die Knospen ab oder schält die Rinde von den Bäumen runter. Die Folge ist, dass das wertvolle Holz im unteren Stammbereich wegfault und die Bäume ihr geplantes Endalter nicht mehr erreichen", informiert von Bomhards Stellvertreter Helmut Lieser. Diese Schäden sind für die Ortsgemeinde Kell am See, aber auch für viele Privatwaldbesitzer ein Problem: "Denn wir haben schließlich unser Kapital im Wald stehen", betont Edgar Thielen (SPD). "Wir stellen uns diesem Thema aber bereits ganz gezielt", sagt Helmut Lieser mit Hinweis auf das von der Landesregierung initiierte Lebensraum-Modell-Projekt (LMP) im Bereich des Rotwildrings Osburg-Saar. Dieses sieht die Verbesserung des Lebensraumes für Rotwild einerseits und die Reduzierung von Wildschäden andererseits vor. "Es geht darum, die Balance zwischen Wald und Wild zu wahren", betont auch Angsten. Ein wichtiger Bestandteil dieses Konzepts ist die "Herstellung einer angepassten Wilddichte", wie es Lieser formuliert. Lag die Abschusszahl für Rotwild in allen Keller Revieren bis zum Jahr 2000 noch bei 30, waren es 2003 bereits 70. Im Jagdjahr 2004 sei eine weitere deutliche Erhöhung auf 100 geplant, die der Kreis Ende April in seinem Jagdabschussplan festsetzen soll. Damit sei die im Keller Ortsgemeinderat einstimmig beschlossene Forderung nach 50-prozentiger Erhöhung der Abschusszahlen erfüllt, so Lieser. Auch in Paschel, wo nach Information von Revierleiter Helmut Gödert ebenfalls Klagen über Rotwildschäden laut wurden und in der Nähe der B 268 ein Rudel von rund 70 Tieren gesichtet wurde, seien deutlich höhere Abschusszahlen vorgesehen. Ein Novum ist hingegen, dass der Rat in Kell von dem im Paragraph 23 des Landesjagdgesetzes festgeschriebenen Recht Gebrauch machen will, von den Jägdpächtern einen so genannten körperlichen Nachweis zu verlangen, dass die gemeldeten Tiere tatsächlich erlegt wurden. In der Praxis könne der körperliche Nachweis so aussehen, dass die Pächter Vertrauensleuten des Jagdvorstands die toten Tiere vorlegen und diese dadurch "registriert und entwertet" werden, indem ihr rechtes Ohr abgeschärft wird, sagt Lieser. Diese Forderung des Rats werde jedoch bei den Jägern für einigen Unmut sorgen, befürchtet der Forstbeamte. Lieser betont jedoch, dass es bei der Eindämmung von Wildschäden nicht nur darum gehen kann, die Population durch vermehrten Abschuss zu reduzieren. Es sei genau so wichtig, den Lebensraum des Rotwildes zu verbessern und beispielsweise neue Äsungsflächen für die Tiere anzulegen. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die "Störungsvermeidung". "Wanderer sollten nicht unbedingt durch das Schlafzimmer der Tiere gehen", mahnt Lieser. Durch eine veränderte Ausschilderung von Wanderwegen habe sich in der VG Kell am See im Bereich der Lenkung von Waldbesuchern bereits einiges getan. "Wir müssen dem Rotwild ein Refugium belassen", formuliert Angsten seinen Standpunkt.Neue Jagdstrategien sind notwendig

Als entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der "Wald-Wild-Problematik" drängt Lieser in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Keller Ortsgemeinderats schließlich auf neue Jagdstrategien. Weniger Einzeljagden vom Hochsitz aus und stattdessen eine Hinwendung zu effektiveren Bewegungsjagden, bei denen viele Tiere auf der Strecke bleiben, hält der Fachmann für den richtigen Ansatz. Denn nur so könne erreicht werden, dass sich der fast ganzjährige Jagddruck für die Tiere reduziert, so dass diese nicht verängstigt im Wald bleiben und dort größere Schäden anrichten, sondern raus auf die Äsungsflächen kommen.

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