Eine einsame Winterreise

HERMESKEIL. (urs) Professionell und spannend projizierte David Winkenstern im Madhouse Heines Wintermärchen ins 21. Jahrhundert. Ein Programm, das er allerdings unverdienterweise vor nahezu leerem Saal darbot.

 Meister der Schauspielkunst: David Winkenstern machte Heinrich Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" alle Ehre.Foto: Ursula Schmieder

Meister der Schauspielkunst: David Winkenstern machte Heinrich Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" alle Ehre.Foto: Ursula Schmieder

Holprig rumpelte die "Chaise", die 1843 für Reisen unverzichtbare Kutsche, über die Straßen Deutschlands. Im Innern ein bekannter Fahrgast, der Augen und Ohren offen hielt, um zu registrieren, was sich in den vergangen 13 Jahren verändert hatte. Beziehungsweise, was doch eher nicht. Nach Jahren des selbst gewählten Pariser Exils hatte sich Heinrich Heine auf eine Reise durch Deutschland begeben, die er später in "Deutschland. Ein Wintermärchen" ironisch reflektierte. Ein Reisebericht, den Solotheater-Schauspieler David Winkenstern im Hermeskeiler Madhouse mit Leben erfüllte- und dies gelang ihm bravourös.Heine mit Aktualität gespickt

Winkenstern verstand es, das Ganze mit Aktualität zu spicken, sodass sein Publikum sich 90 Minuten lang in eine andere Welt versetzt fühlte. Dazu Zuhörerin Birgit Jung-Hülpes: "Dennoch springt einem die Aktualität vieler Passagen geradezu ins Auge." Bernhard Jocher empfand die Darbietung als "sehr spannend". Es sei eine enorme Leistung, diesen Spannungsbogen zu halten, so der Trierer anerkennend. Bedauerlich fand er das geringe Publikumsinteresse. Eine schwache Resonanz, die Annette Seifert aus Kusel "sehr traurig" nannte. Dabei sei es doch eine schöne Idee, Heine im Jugendraum aufzuführen. Und es wäre doch toll, dass in Hermeskeil ein Improvisationsworkshop angeboten würde, sprach sie ein am Folgetag anschließendes Angebot an. Eine Gelegenheit, die Claudia Fries aus Züsch bereits genutzt hatte. "Das war wirklich ganz toll", erinnert sie sich an die gute Einführung und die starke Beteiligung. Vielleicht hätten viele auch gedacht, die Darbietung sei - da im Madhouse - mehr für Jugendliche, vermutete Gisela Klippel aus Züsch. Andererseits würde die Jugend ohne vorheriges Auseinandersetzen mit dieser Literatur unter Umständen auf dem Schlauch stehen. "Wer kennt schon Heine", befürchtete sie. Die Aufführung sei als Chance für Jugendliche geplant gewesen, sich mit Heine auseinander zu setzen, hatte Fries gehört. Das geringe Interesse sei schade. Eine Ausnahme war Artur Bakal. "Es gefällt mir ganz gut", meinte der 14-Jährige. Allerdings sei die alte Sprache manchmal ein bisschen kompliziert. "Man versteht nicht alles", gestand er ein. Aufmerksam geworden auf den Abend war er durch Angelina Lust, die das Schul- und Internetcafé im Madhous leitet. Der schwache Besuch war für sie eine Enttäuschung, zumal sie in den Schulen gute Werbung gemacht hätte. Zum Darsteller: Der 1967 in Sibirien geborene Schauspieler und Regisseur David Winkenstern absolvierte die Theaterhochschule in Moskau. Bevor er 1993 nach Deutschland kam, war er Schauspieler am einzigen Deutschen Theater der ehemaligen Sowjetunion. In Niederstetten gründete er das Russlanddeutsche Theater. Es folgten Auftritte in Deutschland, Polen, Rumänien und Kasachstan. Neben seinem Engagement als Regisseur arbeitet er als Theaterpädagoge mit Amateurschauspielern und hat im Auftrag des Goethe-Instituts Moskau mehrmals Schauspielseminare gehalten.

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