Exoten kaum noch gefragt

KELL AM SEE. Immer mehr Verbraucher in ländlichen Gebieten sind von der Nahversorgung abgekoppelt. Selbst in größeren Gemeinden ist die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Alltagsprodukten vielfach nicht mehr existent. Bis zum nächsten Geschäft müssen die Verbraucher immer weitere Wege zurücklegen. Die Situation in der Verbandsgemeinde Kell am See scheint derzeit noch zufrieden stellend.

Von den 13 Ortschaften in der Verbandsgemeinde Kell verfügen gerade einmal acht über eine Nahrungsmittelversorgung im Ort. Die Tatsache, dass fünf Ortschaften der VG Kell am See keine eigene Versorgung vorweisen können und auch sonst immer mehr Orte im ländlichen Raum nicht mehr über stationäre Einkaufsstätten verfügen, ist auch ein soziales Problem: Die mangelnde Nahversorgung wird zunehmend auch zum Problem für ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Verbraucher mit geringer Kaufkraft. Produzenten nutzen Marktlücke

Hinzu kommt, dass die Motorisierung immer wichtiger ist. Wer nicht fahren kann, ist angewiesen auf die Großzügigkeit von Verwandten oder Bekannten. Die Folge: In den entfernten Supermärkten wird der Bedarf oft für Monate gedeckt. Viele Verbraucher bevorzugen Lebensmittel aus der Region. Die Produzenten haben inzwischen ihre Marktlücke erkannt, und kaum ein Lebensmittelhersteller im ländlichen Raum verzichtet auf ein mobiles Angebot, insbesondere in den geschäftsfreien Orten. Die Zeit der so genannten "Tante-Emma-Läden" ist vorbei. Fast alle Geschäfte, ungeachtet ihrer Größe, sind Mitglieder einer Verkaufskette. In Mandern gibt es nur eine Bäckerei. "Hier kann man zwar auch geringe Mengen von Lebensmitteln kaufen, doch die Auswahl ist gering", sagt Alfons Bonerz. "Uns bleibt nichts übrig, als nach Losheim in den Supermarkt zu fahren." Ein Tante-Emma-Laden ist das Geschäft von Bernhard Wagner in Hentern nicht. Es gehört ebenfalls zu einer Kette, vieles ist im Angebot, das die Einwohner zur Lebensmittelversorgung benötigen, an bestimmten Tagen auch Frischfleisch. "Den Begriff ‚Tante Emma Laden' sollte man in der heutigen Zeit vergessen", sagt Wagner. "Zwar zählen wir als kleiner Betrieb noch zu den Exoten, aber wie in den großen Kaufhäusern wird auch bei uns alles elektronisch erfasst, die Einrichtungen sind identisch, wenn auch kleiner." Wagner fährt auf Wunsch der Kunden aus Baldringen und Vierherrenborn in diese Ortschaften und beliefert sie mit vorbestellten Waren. Ein Phänomen sei für ihn der Großmarkt im saarländischen Losheim. "Das macht uns viel aus, denn dieser Markt ist schon fast eine Pilgerstätte. Da nehmen auch viele unserer Bürger keine Rücksicht auf uns. Wenn sich schon Männer in der Kneipe über die Möglichkeiten in diesem Großhandel unterhalten, dann fällt mir nichts mehr ein." Dass es jedoch auch Einheimische gibt, die ausschließlich bei ihm einkaufen, will Wagner nicht verschweigen. "Da spielt dann auch ein Stück Heimatverbundenheit mit." Immerhin kann aber der Amtssitz der Verbandsgemeinde, der Ort Kell am See, in mit insgesamt fünf Anbietern im Lebensmittel-, Metzgerei- und Bäckereibereich aufwarten. Ein Supermarkt rundet dort das Angebot ab.

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