Festlärm: Stadt quartiert Anwohner aus

Schweich · Ein Schweicher Bürger bekommt Übernachtungen in einer Pension bezahlt, weil ihn die laute Musik beim Stadtfest stört.

Schweich Während sich Tausende Besucher Jahr für Jahr auf das Schweicher Stadtfest freuen, das vor einigen Wochen auf dem Platz vor der Synagoge stattfand, sieht ein Anwohner dem feierlichen Treiben mit Grauen entgegen. Er wohnt in der Nähe des Synagogenvorplatzes. "Stellenweise ist es in unserem Haus so laut, dass die Gläser sich im Schrank bewegen", begründet er seinen Unmut. Er habe schon um Mitternacht mit einem nicht geeichten Gerät einen Geräuschpegel von 100 Dezibel gemessen. Der Anwohner, der anonym bleiben möchte, sagt auf TV-Anfrage, er möchte das Fest nicht kaputtmachen, aber er sei gegen laute Musik nach 24 Uhr. Einladungen an den jetzigen und ehemaligen Stadtbürgermeister, sich in seinem Wohnzimmer einen Eindruck von der Lautstärke zu verschaffen, seien ins Leere gelaufen. Das Gleiche gelte für zahlreiche Bemühungen darum, dass die Musik nach Mitternacht verstumme. Das Stadtfest sei nicht die einzige Veranstaltung, die ihn über Gebühr mit Lärm belästige. Um das Problem für beide Seiten zu lösen, gibt es seit Jahren eine - damals mündlich getroffene - Vereinbarung mit dem früheren Schweicher Stadtbürgermeister Otmar Rößler (FWG): Der betroffene Anwohner zieht mit seiner Frau während der Festtage in eine Pension. Der Verein Stadtwoche Schweich, ein Zusammenschluss aus 18 Vereinen und Institutionen unter Führung der Stadtverwaltung, bezahlt dem Paar freitags und samstags die Übernachtungen. In welcher Pension der Beschwerdeführer nächtigt, möchte er nicht sagen. Die Vereinbarung sei in Güte getroffen worden, um einen schon lange schwelenden Konflikt zu beenden, einen drohenden Rechts-streit abzuwenden und damit das Stadtfest zu retten, sagt Rößler. Der Anwohner erinnert sich, dass er dem Stadtbürgermeister drei Möglichkeiten vorgeschlagen hatte: Eine sei gewesen, das Fest an einem anderen Platz stattfinden zu lassen. Eine andere: Die Stadt Schweich hält sich an das Gesetz und schaltet die Musik um Mitternacht ab, andernfalls klagt er. Die dritte Möglichkeit sei die Ausquartierung gewesen. "Ich wollte das Stadtfest nicht zerstören", betont der Anwohner. Der Ex-Stadtbürgermeister stimmte schließlich der Ausquartierung zu.Für jedes Volksfest muss zuvor eine Genehmigung eingeholt werden. Laut Helene Heinen vom Fachbereich Bürgerdienste der Verbandsgemeindeverwaltung Schweich orientiert sich die Genehmigung für das Stadtfest an gesetzlichen Vorgaben und beinhaltet folgende Regeln: Musik ist am Wochenende bis maximal 24 Uhr erlaubt. Mit Ausnahme von einzelnen Geräuschspitzen sei ein Lärmpegel bis 22 Uhr von 70 Dezibel und ab dann bis 24 Uhr von 55 Dezibel einzuhalten. Lediglich 2012 habe sich ein Bürger beklagt. Während eines Gesprächs mit dem Veranstalter habe man dessen Bedenken ausräumen können. "Da keine weitere Beschwerde oder Anzeige erfolgte, wurde unsererseits auch nichts veranlasst", sagt Heinen.Der jetzige Stadtbürgermeister Lars Rieger (CDU) hat den Dezibel-Konflikt geerbt. "Die Probleme mit dem betreffenden Bürger existieren schon seit vielen Jahren", sagt er. Rieger behauptet indes, der Anwohner habe unmissverständlich damit gedroht, die Polizei zu rufen, "um dem bei einem Stadtfest logischerweise erhöhten Lärmpegel Einhalt zu gebieten", wenn er nicht ausquartiert werde. Er habe angekündigt, tätig zu werden, wenn die nach 22 Uhr gesetzlich vorgeschriebene Zahl von 55 Dezibel überschritten werde. "Das Stadtfest wird am Samstagabend um 20 Uhr offiziell mit Dank- und Begrüßungsworten eröffnet. Danach folgt der Fassanstich, so dass es frühestens um 21 Uhr mit dem Konzert einer regionalen Band richtig beginnt", sagt Rieger. Wenn der Lautstärkepegel bereits nach einer Stunde wieder auf Zimmerlautstärke herunter geregelt werden würde, würden die meisten Gäste das Stadtfest schnell verlassen und dorthin wechseln, "wo Party stattfindet". Viele Ehrenamtliche, darunter er selbst, opferten viel Zeit, um das Fest auf die Beine zu stellen. Das Fest sei eine der wenigen Einnahmequellen der Vereine.Und wer zahlt die Ausquartierung? "Es wird kein einziger Cent an Steuermitteln für die Übernachtungen verwendet", betont Rieger. Seine Vorgänger und er hätten Jahr für Jahr bei dritten um Spenden und Sponsorenbeiträge geworben, mit denen unter anderen auch diese Ausgabe bestritten werde.Die Vorsitzende eines Schweicher Vereins, die anonym bleiben möchte, hält die Reaktion des Anwohners für "traurig und übertrieben". Von den bezahlten Übernachtungen habe sie bis dato nichts gewusst. "Wenn wir das Stadtfest nicht mehr feiern können, geht ein Stück Kultur und Tradition in einer Zeit verloren, in der es Vereine ohnehin schon schwer haben", sagt sie. Zudem stärke ein Fest den Zusammenhalt der Stadt. "Ich finde es traurig, dass jemand das Fest gefährdet und sich das auch noch bezahlen lässt." Ihrem Empfinden nach sei die Musik nicht zu laut. Lars Rieger hält eine öffentliche Diskussion über die Gesetzgebung, die seiner Meinung nach zunehmend reglementiere und kaum Ausnahmen zulasse, für notwendig. "Denn so wird bürgerliches Engagement immer mehr ad absurdum geführt." KommentarMeinung

Man kann auch mal ein Auge zudrücken!Wen hat nicht schon mal laute Musik von der Kirmes, dem Weinfest oder Open-Air-Konzerten um den Schlaf gebracht? Viele ärgern sich sicherlich in diesen Momenten, machen aber eine Faust in der Tasche und denken: Kommt ja nicht alle Tage vor, da drücke ich mal ein Auge zu! Natürlich hat ein Anwohner das Recht, sich über Festlärm zu beschweren. Ihn aber deshalb auszuquartieren, löst das Problem nicht. Mietet man gleich ein ganzes Hotel, wenn dieses Beispiel Schule macht? Stattdessen sollte die Stadt lieber nach einem geeigneteren Standort für das Fest suchen. Übertriebener Egoismus und haarklein ausgelegte Vorschriften können das Aus für viele Feste in unseren Dörfern bedeuten. Zumindest würden kaum noch Jugendliche hingehen, wenn die Bands um 24 Uhr den Stecker ziehen. Es gibt manchmal Situationen, in denen das eigene Wohl hinter dem der Allgemeinheit zurückstehen sollte. a.follmann@volksfreund.de

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