Griff ins volle Menschenleben

"Ick wundere mir über jarnischt mehr" heißt die Hommage an einen der größten Stars auf deutschen Varieté- und Theaterbühnen der 20er und 30er Jahre (1870-1931): Otto Reutter. Gemeinsam mit der Sopranistin Monika Weber aus Lampaden und dem Pianisten Christoph Schach aus dem saarländischen Heiligenwald erweckte Ewald Schu aus Konz Otto Reutter in der Reinsfelder Kulturhalle wieder zum Leben.

 Annäherung an einen ganz großen Kabarettisten: Ewald Schu glänzte mit den immer noch aktuellen Werken Otto Reutters. TV- Foto: Herbert Thormeyer

Annäherung an einen ganz großen Kabarettisten: Ewald Schu glänzte mit den immer noch aktuellen Werken Otto Reutters. TV- Foto: Herbert Thormeyer

Reinsfeld. (doth) "Ich will diesen großen Künstler nachempfinden, keinesfalls kopieren", erklärt der ehemalige Bäckermeister Schu. Der 67-Jährige hat sich mit seinen Auftritten mit Reutter-Liedern einen Traum erfüllt, der im Kölner "Senftöpfchen" begann, in dem er das Programm "Nehm'n sie'n Alten" erlebte. Reinsfeld war schon die siebte Station in diesem Jahr.

Der Wermutstropfen: Nur rund 50 Freunde des gehobenen Humors fanden sich zu dieser Veranstaltung der Kreiskulturtage ein, und wurden vom Vorsitzenden des Kreisheimatvereins, Dittmar Lauer, begrüßt. Und sie kamen voll auf ihre Kosten.

"Es ist immer wieder verblüffend, wie aktuell die Texte von Otto Reutter heute noch sind", teilte Schu seinem Publikum direkt zu Beginn mit.

Der Beweis kam prompt mit dem Titel "Es geht vorwärts", ein Text, der gestern hätte geschrieben sein können - mit Bankenkrise, Herztransplantation, modernen zwischenmenschlichen Beziehungen und "Liebespillen".

Schu beließ es nicht beim Vortrag der Liedklassiker wie "In 50 Jahren ist alles vorbei", "Die traurige Geschichte vom Überzieher" oder "Nehm'n sie'n Alten", er führte auch durch die Karriere des Künstlers und das Berlin von vor 100 Jahren.

Staat und Gesellschaft aufs Korn genommen



Immer wieder war verständnisvolles Nicken im Publikum zu sehen, denn in den letzten 100 Jahren hat sich nicht viel geändert. In der "Couplet" genannten Kunstform werden beispielsweise der Staat in "Die neue Steuerschraube" (1905) oder in "Mit der Uhr in der Hand" (1927) die moderne Gesellschaft mit ihrer Hektik aufs Korn genommen.

Sopranistin Monika Weber ließ die Schlagerwelt der 30er Jahre mit Titeln wie "Bei mir bist du schön", "Bel ami" oder "Wo sind deine Haare, August", aufleben.

Gegen Ende wandelte sich der Abend immer stärker in eine Revue. Die "Haare" des Toupets flogen hoch, es wurde getanzt, und all dem bunten Treiben schaute der Meister in Form einer großen Karikatur schmunzelnd zu.

"Wir sind von Ewald Schu so begeistert, das mussten wir unbedingt nochmal erleben", stellte Margareta Rommelfanger aus Irsch fest. Das sei bis heute alles aktuell. Karl- Heinz Willger aus Kell am See findet alle drei Künstler auf der Bühne sehr professionell: "Man glaubt ja nicht, dass diese Texte 100 Jahre alt sind".

Extra: Otto Reutter hat in den 31 Jahren seines Schaffens 1100 Couplets geschrieben. Davon sind 472 noch heute erhalten, die im Staatsarchiv Berlin aufbewahrt werden. Reutter schrieb die Texte, komponierte und trug die Lieder, die manchmal bis zu 30 Strophen hatten, selbst vor. Schon früh nutzte Reutter die Erfindung der Schallplatte. Wer das Original hören möchte, wird im Internet auf der Seite www.otto-reutter.de/index.htm fündig. Der nächste Auftritt von Ewald Schu ist am 8. November im Bürgerhaus Wawern/ Saar. (doth)

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