Harmonie liegt in baltischer Luft

KELL AM SEE/TALLINN. Die Konzertreise des Orchesters der Verbandsgemeinde Kell am See hat neue Höhepunkte erreicht. Vom durchaus reservierten Moskau ging es nun nach St. Petersburg und in die baltischen Staaten.

Die kulturellen Eindrücke sind gewaltig. Kaum haben die Reisenden das Flair des Roten Platzes in Moskau verkraftet, sind es die bewegenden Eindrücke in St. Petersburg, die die Besucher faszinieren. "Wenn man alle Exponate einzeln jeweils eine Minute betrachtet und das einen ganzen Tag lang, braucht man 18 Jahre, um alle gesehen zu haben." So beschreibt die Reiseleitung die Ausmaße der Eremitage, einem der größten Museen der Welt. Der kanalisierte Fluss Newa erinnert mit seinen Booten und Brücken an Venedig, und die Peter-Paul-Festung mit der dazugehörigen rund 122 Meter hohen Kathedrale passt sich den Dimensionen des Landes an. Die Auflistung aller monumentalen Sehenswürdigkeiten würde zu weit führen, aber innerhalb der Reisenden aus der Verbandsgemeinde Kell am See sind das Staunen und die Anerkennung riesig. Das Verhalten der Einheimischen in Russland gegenüber den Gästen ist noch reserviert. Das ändert sich jedoch schlagartig mit dem Passieren der Grenze nach Lettland.Konzert auf dem Rathaus-Platz

Allerdings ist zuvor auf der russischen Seite noch eine Hürde zu bewältigen: vier Stunden Fahrzeug- und individuelle Personenkontrolle - das ganze Prozedere mit gespielter Ehrfürchtigkeit, denn es soll ja bei den vier Stunden bleiben. Dann haben die drei Busse aus Kell Estland erreicht. Der erste Ausflug geht zur Ostsee. Selten wird sie mehr als ein Symbol von Weite und Freiheit angesehen als an diesem Tag. Lebensfreude und Natürlichkeit prägen ab sofort die Kontakte. Anders als im anfänglich reservierten Moskau werden die Gäste von den Einheimischen sofort angelächelt. Die Schönheit der Innenstadt von Tallinn begeistert alle Mitreisenden. Das Konzert auf dem Rathausplatz lockt über 1000 Zuschauer an, die zu den Klängen des Orchesters klatschen und kräftig Beifall zollen. "Ich bin äußerst positiv überrascht", sagt Klarinettist Thomas Blatt über seine bisherigen Eindrücke. "Insbesondere, dass noch etwas von dem ‚alten' Russland übrig geblieben ist." Hans Leo Berres ist von den kulturellen Eindrücken in Moskau angetan, genauso wie von denen in St. Petersburg. Manager Erwin Berens bewertet ebenso wie Dirigent Karl-Heinz Willger die Reise bisher als einen vollen Erfolg, insbesondere in Sachen musikalischer Völkerverständigung, da sind sich beide einig. "Was wir gegeben haben, kam von den Menschen wieder zurück.""Wie ein Sandkorn in der Wüste"

Doch nicht alles lief auf der Reise durch Russland wie geplant. Denn wie sich jemand fühlt, der den Zug in Moskau nach St. Petersburg verpasst hat, davon kann nun Posaunist Christian Fox erzählen - ein Erlebnis, das er so schnell nicht vergessen wird. Nachdem er nach einem Toilettenbesuch auf dem Bahnhof nur noch die Rückleuchten des Zuges sah, habe er sich eine ganze Nacht, 700 Kilometer von seinen Musikkollegen entfernt, wie ein Sandkorn in der Wüste gefühlt. "Ich fand jedoch die Unterstützung einer Englisch sprechenden Frau, die es mir ermöglichte, einen Musikkollegen in St. Petersburg anzurufen. Ich teilte ihm mit, man müsse sich keine Sorgen machen." Mit einem Tag Verspätung traf der verlorene Musiker wohlbehalten bei seiner Truppe ein.

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