"Herr Major, sie kommen!"

HERMESKEIL. "Für uns war der Zweite Weltkrieg am 16. März 1945 beendet und nicht erst am 8. Mai." Wie viele Überlebende in Hermeskeil empfand und empfindet Zeitzeuge Hans Scherer den Einmarsch der Amerikaner vor genau 60 Jahren nicht als historische Niederlage, sondern als Tag der Befreiung.

Am Anfang vom Ende standen erneut Schrecken und große Zerstörung. Nachdem Trier und Saarburg bereits gefallen waren, wussten die Hermeskeiler: Auf dem Vormarsch der Amerikaner war ihre Stadt das nächste große Ziel. Immer näher rückte der Donner der Artillerie-Geschütze, und war zuvor in erster Linie der Bahnhof das Ziel der Jagdbomber, so folgte am 12. März ein Angriff auf das Ortszentrum. "Mitten auf die Kreuzung Saarstraße/Züscher Straße ging ein Bombenteppich nieder", erinnert sich der heute 77 Jahre alte Scherer. In den Trümmern des Kreissparkassen-Gebäudes starben mehrere Zivilisten. "Spätestens nach diesem Angriff hatten alle Angst, ein normales Leben war nicht mehr möglich", beschreibt der Zeitzeuge die Gemütslage der Menschen. Und viele hätten damals gesagt: "Hoffentlich ist alles bald überstanden, denn schlimmer kann es nicht mehr werden." Doch es bestand Anlass zu allergrößter Sorge: Was passiert, wenn die deutschen Truppen in Hermeskeil Stellung beziehen, wo nach umfangreichen Schanzarbeiten alles für die Verteidigung bereitet war? "Dann wäre Hermeskeil zu einem Trümmerhaufen geworden", vermutet Scherer. Doch es kam gottlob anders: Nachdem die Amerikaner am Abend des 15. März in Reinsfeld und Gusenburg einmarschiert sind, ist Hermeskeil von zurückflutenden deutschen Soldaten überfüllt. An Verteidigung denken sie aber nicht mehr. Auch von "planmäßigen Absetzbewegungen", wie es der Wehrmachtsbericht später weismachen will, kann keine Rede sein. "Das war ein einziges Chaos", beschreibt Scherer seine Eindrücke, als er sich gegen 20 Uhr auf den Weg zu seiner Dienststelle im Rathaus macht. Nach dem Motto "Rette sich, wer kann" befinden sich die abgekämpften Soldaten im Schutz der Dunkelheit auf dem fluchtartigen Rückzug Richtung Malborn. Dann bricht in Hermeskeil der Tag X, der historische Freitag an. Gegen 7 Uhr trifft Scherer in der Amtsverwaltung ein. Dort hat im Keller auch ein Major der Wehrmacht seinen Kommandostand bezogen, während General Franz im Forsthaus Königsfeld bei Geisfeld sitzt. Von dort bringt ein Melder gegen 7.30 Uhr die Order: "Das strategisch wichtige Hermeskeil ist unter allen Umständen zu halten." Die Antwort des Majors folgt prompt und wirft ein bezeichnendes Licht auf die hoffnungslose Lage: "Jawohl, Herr General, ich werde Hermeskeil mit acht Mann, die mir noch zur Verfügung stehen, zu halten versuchen!" Die Ereignisse überschlagen sich

Dann überschlagen sich die Ereignisse: Gegen 8.15 Uhr - so Scherer - schickt der Major einen Späher in Richtung Gusenburg. Der stürzt aber schon kurz darauf mit schreckensbleichem Gesicht wieder in den Keller und ruft: "Herr Major, sie kommen!" Nachdem die Soldaten der 94. US-Infanterie-Division die "Nickels-Mühle" als erstes bewohntes Haus in Hermeskeil besetzt hatten, war ein Stoßtrupp zu diesem Zeitpunkt bereits bis zur Schulstraße vorgedrungen. Nach dieser Meldung sucht nicht nur der Major sofort das Weite - auch Scherer und ein Freund wollen jetzt schnell zurück zu ihren Eltern. "Wir sind aber nur bis zum Krankenhaus gekommen. Dort haben wir wegen eines Jabo-Angriffs Schutz gesucht." Nur wenige Minuten später sei plötzlich ein Raunen durch die dunklen Korridore gegangen. "Und dann hat der Amerikaner leibhaftig vor mir gestanden", schildert Scherer seine erste Begegnung mit einem GI. Auch daran, dass die Schwester Oberin "Wir sind befreit" gerufen und das Tedeum angestimmt habe, kann er sich noch gut erinnern. Doch leider sind auch am "Tag der Befreiung" Tote zu beklagen. Als die US-Soldaten gerade dabei sind, die Bevölkerung aus den Häusern zu treiben und zu Sammelstellen zu bringen, schießt gegen 10.30 Uhr die deutsche Artillerie von einem Waldstück aus in den besetzten Ort. Eine der Granaten schlägt auf dem Neuen Markt ein und reißt fünf Menschen in den Tod. Sie sollten jedoch die letzten Zivilisten sein, die in Hermeskeil dem Krieg zum Opfer fallen. Denn schnell haben die Amerikaner den Ort komplett unter Kontrolle. Am Nachmittag gibt es schon wieder eine deutsche Zivilverwaltung mit Peter Harig als Bürgermeister. Bereits am Morgen des 17. März ziehen die US-Truppen schließlich nach Birkenfeld weiter und lassen ein besetztes, von der Nazi-Diktatur befreites Hermeskeil zurück. Folgende Bücher zum II. Weltkrieg sind in den TV-Pressecentern erhältlich: Der Farb-Bildband von Lt. Col. G. Forty, "Deutschland im Krieg" (19,95 Euro), zeigt einzigartige Farbfotografien. Das Kinderbuch "Krücke" von Peter Härtling (5,90 Euro) beschreibt das Schicksal des neunjährigen Thomas, der auf der Flucht seine Mutter verliert.

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