Hilfreiches Kabarett

HERMESKEIL. (kat) Eine Anleitung zum Unglücklichsein bekamen die 200 Besucher der kabarettistischen Großgruppenberatung mit Frank Astor im Rahmen des Hermeskeiler Kulturherbstes. Sie erlebten einen fruchtbaren Abend zum Schmunzeln und Ernst nehmen.

Kennen Sie ihn, den Fusselblick? Die Zuschauer, die einen überaus amüsanten und erkenntnisreichen Abend im Johanneshaus verbrachten, wissen, worum es geht. Um den Perfektionisten, der selbst in einer knisternden, sinnlichen Atmosphäre dem versehentlich nicht entfernten Preisschild am aufreizenden BH mehr Beachtung schenkt als der reizvoll gekleideten Dame des Herzens. "Sie lehnen sich gemütlich zurück. Sie lachen, wenn sie etwas witzig finden. Und keiner muss auf die Bühne", kündigt der charmante, auf den ersten Blick fast unschuldig wirkende Frank Astor sein brandaktuelles Stück an. Er entpuppt sich nicht nur als exzellenter Verwandlungskünstler und Musik-Kabarettist, er flunkert auch. Permanent bezieht er das Publikum in die Großgruppenberatung, in der er frech-erheiternd manche Lektion für das Leben erteilt, mit ein; und auf der Bühne schwitzt gegen Ende auch ein Herr aus dem Publikum, der nicht ganz freiwillig assistiert. "Lassen sie beide Mundwinkel nach unten fallen", fordert er das Publikum auf. "Wie gut sich das anfühlt…" Ob Pessimisten, Perfektionisten, Geber von ungebetenen Ratschlägen oder Helferinnen - "die definieren sich durch ihre Unentbehrlichkeit und Heiligenschein und Brustkrebs ist ihnen garantiert" - sie alle kriegen ihr Fett weg und die Zuschauer permanent einen Spiegel vorgehalten. Schon in der Pause, die die Besucher auf Astors Empfehlung verplempern sollen, zeigt das heilsame Kabarett seine erste Nebenwirkung. "Es ist wahr. Ich sehe auch viel zu oft das Schlechte", sagt eine Besucherin. In der zweiten Runde stößt der Meister der Ironie das negative Gedankenkarussell des Publikums nochmals kräftig an, brilliert als Stimmenimitator von Bush bis Rau und lässt das Publikum "an den Früchten seiner Weisheit" teilhaben. Und die sind vielfältig, saftig und gereift. "Vielleicht hat er zur Sonntagsmesse gehen müssen, der Lehrer hat ihn ständig übersehen…", singt Astor und prangert die "Psychoszene" mit ihrer "Alles- ist-erklärbar-Mentalität" an, die sich in Kindheitstraumata suhlt. Die Macken des Hightech-Zeitalters und die der katholischen Kirche führt der in Hermeskeil geborene Künstler einem ergötzten Publikum vor Augen. Die ganze Palette der Absurditäten - in erster Linie die des Alltags und des unermesslichen Leidenwollens, auch die des Weltgeschehens - macht der Künstler zum Thema. In köstliche Wortspielereien verpackte "Umstände des Lebens" serviert "Guru" Astor, ein Kabarettmenü sowohl für Feinschmecker als auch für die Liebhaber deftiger Kost. Am Ende weiß das Publikum nicht mehr, ob es eineinhalb Stunden auf der Therapie-Couch mit dem Ziel "Wie geht es mir so richtig schlecht" oder auf den Stühlen im Johanneshaus einen vergnüglichen Abend verbracht hat. "Um 20 Methoden bereichert", damit man garantiert unglücklich sein kann, gibt dennoch garantiert niemandem das Gefühl, einen Abend verplempert zu haben. Davon jedenfalls zeugten die Mundwinkel, die ganz weit nach oben zeigten.

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