Korn für Korn entsteht ein Kunstwerk

Reinsfeld · Aus Samen und Blüten fertigen Frauen aus Reinsfeld einen Erntedankteppich, den sie ab 1. Oktober in der Kirche ausstellen. Der TV hat bei der filigranen Arbeit zugeschaut und erfahren, warum Zahnstocher dabei unverzichtbar sind.

 Hier ist eine ruhige Hand gefragt: Melanie Marx und Bettina Philipp arbeiten im Reinsfelder Pfarrheim an dem neuen Erntedankteppich. TV-Fotos (3): Christa Weber

Hier ist eine ruhige Hand gefragt: Melanie Marx und Bettina Philipp arbeiten im Reinsfelder Pfarrheim an dem neuen Erntedankteppich. TV-Fotos (3): Christa Weber

Foto: (h_hochw )

Reinsfeld Ganz vorsichtig verteilt Melanie Marx ein wenig Bastelkleber vor sich auf der Holzplatte. Dann taucht sie kurz ein Holzstäbchen hinein, hält es an ein weißes Reiskorn und schiebt das Körnchen langsam auf die Stelle, wo sie den Klebstoff aufgetragen hat. "So geht das jetzt die nächsten Stunden weiter", sagt sie und pickst das nächste Korn auf. "Der Zahnstocher ist unser Hauptwerkzeug."
In dem Raum im Reinsfelder Pfarrheim sitzen noch vier weitere Frauen. Alle sind konzentriert über die Tische gebeugt, die von kleinen Stehlampen angeleuchtet werden. Stück für Stück tragen die Frauen getrocknete Blütenblätter, Linsen, Samen und Weizenkörner auf die vor ihnen liegenden Platten auf. Sie arbeiten an dem neuen Erntedankteppich, der ab 1. Oktober in der katholischen Kirche Sankt Remigius in Reinsfeld ausgestellt werden soll (siehe Info). Es ist das bereits 29. Kunstwerk, das unter Federführung der örtlichen Frauengemeinschaft und ihrer Helfer entsteht.
"Die Idee dazu hatte 1989 unser damaliger Pastor", berichtet Bettina Philipp. "Er hat so einen Teppich irgendwo gesehen und gedacht: Das wäre auch was für uns." Begonnen hätten die Frauen mit Erntedankmotiven aus Kartoffeln, Früchten und Eiern, die als Dekoration gedacht waren. "Im Laufe der Jahre haben wir das immer mehr verfeinert." Inzwischen werden für den Teppich biblische Motive aus Tausenden kleiner Körnchen und Blättchen zusammengesetzt. Und die Werke sind jedes Jahr drei Wochen lang in der Kirche für jedermann zu sehen.
Die Vorbereitungen starten schon Ende April. Dann wird ein Motiv ausgewählt, das aus den Samen und Blüten zusammengesetzt werden soll. "Es gab schon verschiedene Inspirationsquellen - vom Kalender bis zum Kirchenfenster", sagt Philipp. Das diesjährige Motiv "Taufe Jesu im Jordan" stamme aus einer Kinderbibel. Eine Frau aus Bescheid zeichnet den Damen jedes Jahr mit Bleistift die Konturen des ausgewählten Bildes auf eine Holzplatte. "Sie kann besonders gut Gesichter malen, das ist für unsere spätere Arbeit wichtig", erzählt Philipp. Denn die Platte werde dann in fünf Teile zerschnitten, damit sie und ihre Mitstreiterin Irmgard Stüber zu Hause mit den schwierigen Hautpartien der Figuren beginnen könnten. Diese Partien werden aus feinen Sesam- und Senfkörnern zusammengesetzt.
Dann geht es im Pfarrheim mit der Arbeit weiter. Mehrere Wochen lang wechseln sich etwa zehn Frauen dabei ab, die vorgezeichneten Konturen mit Inhalt zu füllen. "Wir arbeiten meist morgens, weil dann das Licht besser ist", erklärt Philipp. Auf die Frage, ob das nicht sehr anstrengend sei, antwortet sie lächelnd: "Das geht schon. Es ist beruhigend, ein bisschen wie bei einer Meditation."
Ihr Material bekommen die Frauen als Spende von einem Hermeskeiler Landwirtschaftsbetrieb, zum Teil sammeln sie die Blütenblätter auch selbst. Inzwischen hätten sie auch einige Vorräte angelegt, sagt Monika Eiden mit einem Blick auf die vielen gefüllten Einmachgläser.
Der fertige Teppich wird mit seinen beiden Vorgänger-Modellen am Altar aufgebaut. Fotos von allen bisherigen 29 Motiven hängen in der Kirche an Plakatwänden. "Es ist schon eine Attraktion, weil es das so in unserer Gegend nirgends gibt", sagt Elfriede Hanke. Die Ausstellung habe sich herumgesprochen, weshalb Besucher auch aus dem Saarland, aus Koblenz oder sogar von weiter weg kämen.
Und das Ganze diene auch einem guten Zweck. "Wir stellen Spendenboxen auf, und das Geld geht an Hilfsprojekte", sagt Monika Eiden. Beispielsweise an das Hilfswerk Aktion Medeor, das weltweit Medikamente an Menschen verteilt, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. "Wir wissen, dass ein Krankenhaus in Ghana von unseren Spenden unterstützt wird."
Am 25. September muss der Teppich fertig sein. Dann wird er auf ein Gerüst montiert und in der Kirche aufgestellt. "Das schaffen wir", ist Bettina Philipp überzeugt. Weitere Helfer seien der Gemeinschaft aber stets willkommen - damit die Tradition noch viele Jahre fortgeführt werden kann.
Eine Fotostrecke und ein Video zum Reinsfelder Erntedankteppich gibt es unter www.volksfreund.de/hochwaldExtra: DREI WOCHEN LANG AUSSTELLUNG IN DER KIRCHE

Korn für Korn entsteht ein Kunstwerk
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 Vorlage für den Teppich ist das Motiv „Taufe Jesu im Jordan“, das aus einer Kinderbibel stammt (links). Die einzelnen Körner werden per Hand mit kleinen Hilfsmitteln aufgeklebt.

Vorlage für den Teppich ist das Motiv „Taufe Jesu im Jordan“, das aus einer Kinderbibel stammt (links). Die einzelnen Körner werden per Hand mit kleinen Hilfsmitteln aufgeklebt.

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Der aktuelle Erntedankteppich "Taufe Jesu im Jordan" und die beiden Teppiche der Vorjahre sind vom 1. bis 22. Oktober in der katholischen Kirche St. Remigius in Reinsfeld zu besichtigen. Die Kirche ist in dieser Zeit täglich geöffnet, von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr. Die Mitglieder der Frauengemeinschaft, die jedes Jahr das Kunstwerk aus getrockneten Samenkörnern und Blütenblättern herstellen, brauchen noch dringend Material für den aktuellen Erntedankteppich. Gesucht werden hellblaue Hortensienblüten. Wer weiß, wo man kurzfristig solche Blüten bekommen könnte, kann sich bei Bettina Philipp melden unter Telefon 06503/565. Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es im Pfarrbüro, Telefon 06503/3055, das mittwochs und freitags von 15 bis 18 Uhr besetzt ist.

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