Leben mit der Krankheit

HERMESKEIL/THALFANG. Die Krankheit der "1000 Gesichter" wird Multiple Sklerose (MS) genannt. Betroffene verlässt mitunter der Lebensmut, denn das Leiden ist unheilbar. Kriemhild Krämer von der Selbsthilfegruppe Hermeskeil hat gelernt, mit der Krankheit – und nicht gegen sie – zu leben.

"Als der Arzt mir mitteilte: Sie haben Multiple Sklerose - das konnte ich nicht glauben." Kriemhild Krämer schüttelt den Kopf, als sie an die Diagnose zurückdenkt. 18 Jahre lang schleppte sich die heute 45-jährige von einem Arzt zum anderen, die für MS typischen "Schübe" nahm sie nicht als solche wahr. Dass sie tatsächlich unter der unheilbaren Nervenkrankheit litt, ahnten selbst die Helfer in Weiß lange Zeit nicht. Migräne hieß häufig die Diagnose. Dann, zwei Tage vor einer Kommunionsfeier, der Schock: Stufe Sechs auf der MS-Krankheitsskala. "Das bedeutet, Sie schaffen maximal 500 Meter Gehstrecke, dann reicht die Kraft nicht mehr". Ein Arzt habe ihr mal mitgeteilt: "Dass Sie noch laufen, grenzt an ein Wunder". Seit mittlerweile vier Jahren weiß die gebürtige Thalfangerin und gelernte Hotelfachfrau, dass sie zu den rund 5000 Multiple-Sklerose-Erkrankten allein in Rheinland-Pfalz gehört. Auch wenn die Krankheit nur in geringen Fällen zum vorzeitigen Tod führt: Von einem Tag auf den anderen bricht die bisherige Lebenswelt zusammen, sowohl privat als auch beruflich. Zukunftspläne müssen aufgegeben werden. Die Krankheit beeinträchtigt die Muskelfunktionen, Alltägliches wie Gehen, Arbeiten und Sport gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Die eigene Familie hilft mit, sagt Krämer, aber ohne Haushaltshilfe gehe es nicht mehr. Krämer engagiert sich in Hermeskeil in einer Selbsthilfegruppe der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft. Diese bietet Erfahrungsaustausch und Arztvorträge über Medikamente und Beschwerdeverlauf an. Die engagierte Frau rät, bei einer MS-Diagnose eine solche Selbsthilfegruppe zu nutzen. "Man soll sich nicht schämen, Hilfe anzunehmen. Und nicht in Depressionen verfallen: Das Leben geht doch trotzdem weiter", sagt sie trotzig. Betroffene würden sich für die Erkrankung schämen, auch weil das Umfeld entsprechend reagiere. Wichtig: der Austausch mit anderen Betroffenen

Negative Erfahrungen hat Krimhild Krämer auch in Thalfang gemacht: Bei einem Vormittagsspaziergang verdächtigte sie ein Anwohner wegen der MS-bedingten Gangstörungen der Trunkenheit. "Dabei trinke ich überhaupt keinen Alkohol", sagt sie kopfschüttelnd. Sie glaubt, dass manche Erkrankte ihr Leiden sogar soweit wie möglich am Arbeitsplatz verheimlichen. Die Thalfangerin sieht sich als Kämpfernatur. "Was mir nicht hilft, sind Menschen, die einen noch mehr herunterziehen. Ich denke positiv." Ihr eigenes Engagement in Hermeskeil begründet sie mit der Möglichkeit, sich dort austauschen zu können. Als sehr schön empfindet sie etwa die regelmäßige Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen, bei denen sie Mitglieder anderer Gruppen treffe. "Sie merken dann, dass man nicht alleine mit der Krankheit dasteht." Krämer versucht, das Leben trotz aller Einschränkungen zu genießen: Nach Tunesien fliegt sie in Urlaub, obwohl sie zeitweise an den Rollstuhl gefesselt ist. Kleine Strecken konnte sie bislang auch per PKW abfahren - und soweit es ging, half sie bei der Renovierung ihres Hauses. "Wer sagt, er lebe gegen die Krankheit, hat keine Chance. Aber wenn ich mit ihr lebe, dann habe ich eine Chance auf ein 'normales' Leben." Info: Kontakt Selbsthilfegruppe Hermeskeil Marlies Wanninger (DMSG), Tel. 06507/5826 oder Kriemhild Krämer, Telefon 06504/954677.

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