Per Anhalter oder zu Fuß

GREIMERATH/VIERHERRENBORN. Die Walz ist ein jahrhundertealtes Brauchtum, in früheren Zeiten gar eine Notwendigkeit: Nur der konnte Meister werden, der auch auf die Walz gegangen war. Drei wandernde Zimmermann-Gesellen sind derzeit in einem Greimerather Zimmerer-Betrieb beschäftigt.

Brütende Hitze, doch auf den Dachbalken eines landwirtschaftlichen Gehöfts in Vierherrenborn turnen drei Personen "in dicker Montur" herum: Sie tragen schwarze Cordkleidung, auf dem Kopf einen schwarzen, breitkrempigen Hut, ein weißes Hemd und eine rote Krawatte. Sie hämmern und verlegen Balken.Die drei Herren sind nicht nur Zimmerleute, sondern zudem auch wandernde Zunftgenossen. Bei der Firma Michael Zimmer in Greimerath haben sie angeheuert.Bis Ende August auf der Walz

Der Berliner Christoph Steinberg ist mit 27 Jahren der älteste der drei, Burkhard Röck, ebenfall aus Berlin, ist 20 Jahre alt, und aus Heidelberg kommt der 23-jährige Paul Marschall. Ende August ist ihre Walz beendet. Dann haben sie drei Jahre und einen Tag ihre Erfahrungen über die Grenzen Deutschlands hinaus gesammelt.Das Wandern war früher ein Muss und sollte dem Gesellen die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Doch mit der Zeit wurde es zu einer Art Ehrensache, die die Handwerker für ihren Werdegang akzeptierten. Anlaufstellen für die Männer auf der Walz waren damals die Zünfte. Diese bildeten sich schon im Jahre 1200. Sie entstanden zuerst in den größeren Städten, in denen das Handwerk eine immer größere Bedeutung erhielt.Meist waren mehrere Berufe in einer Zunft vereint. So bildeten beispielsweise die Zünfte der Zimmerleute, der Dachdecker und der Maurer feste Gemeinschaften. Damals war das Zunftwesen noch nicht nach Meister, Geselle und Lehrling getrennt. Diese Einteilung gibt es erst seit dem 16. Jahrhundert.Als es zu unterschiedlichen Bestrebungen kam, bildeten sich die Klassifizierungen innerhalb der Zünfte heraus. Sie vertraten die Belange der Gesellen gegenüber den Meistern. Nach dem Freispruch musste der Geselle mindestens zwei oder drei, in manchen Gegenden sogar vier oder sechs Jahre auf Wanderschaft gehen. Erst im 17. und 18. Jahrhundert verloren die Zünfte ihre Vollmachten immer mehr an den Staat.Sehnsucht nach Freiheit

Die Verpflichtung zum Reisen konnten sie noch bis 1871 aufrecht erhalten, bis zu dem Zeitpunkt, als das aufkommende Großgewerbe die Zünfte auflöste. Doch das Wandern und Anheuern auf Baustellen liegt wieder im Trend. Sicherlich ist auch die bei vielen verbreitete Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer mit ein Grund für das Wiederaufleben der Tradition."Wir wollen Erfahrungen im Beruf und fürs Leben sammeln", lautet die Motivation der drei Gesellen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt sei aber auch ein Auslöser gewesen. "Sich 24 Stunden mit dem Beruf zu identifizieren, das muss einfach eine Voraussetzung für die Wanderschaft sein", erklären sie.In Vierherrenborn "Zur Dürreich" hat sich die Arbeitszeit wegen des Wetters verschoben. In den vergangenen Tagen hat Michael Zimmer den Arbeitstag mit seinen Wandergesellen um 6 Uhr begonnen. Die Mittagspause war auf 10 Uhr vorverlegt, um 14 Uhr war meist Feierabend auf dem dann schon kochend-heißen Gebälk. Inzwischen hat sich die Arbeitszeit normalisiert.Ein Gesetz darf - unabhängig von jeder Wetterlage - jedoch nie gebrochen werden, erzählen die drei: "Wir dürfen auf unserer Walz nur marschieren oder trampen. Zwischen der Heimat und unserer Station müssenimmer 50 Kilometer liegen."

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