"Vergiftet, vergessen und allein gelassen"

Sie fühlen sich "vergiftet, vergessen und allein gelassen" und sind deswegen am Mittwochabend in Hermeskeil auf die Barrikaden gegangen. Knapp 300 Eltern, Lehrer und Schüler haben aus Angst um ihre Gesundheit gegen die PCB-Schadstoffbelastung in der Erich-Kästner-Realschule demonstriert.

Hermeskeil. Selbst das schlechte Wetter mit Eisregen und Glätte hat circa 300 Eltern, Schüler und Lehrer nicht davon abgehalten, sich vor der Hochwaldhalle in die Kälte zu stellen. Die Demonstranten - zuletzt hat Hermeskeil 2001 ein ähnliches Spektakel wegen der drohenden Freibadschließung gesehen - rückten mit Pfeifen und Rasseln, vor allem aber mit vielen handgemalten Plakaten und Schildern an. Insbesondere ein Motto stach mehrfach heraus: "Vergiftet, vergessen und allein gelassen." So formulierten die Protestler die Gemütslage, wenn sie an das aus ihrer Sicht akute und noch nicht gelöste Problem in ihrer Realschule denken: die bereits im März bei Messungen des Landesuntersuchungsamts nachgewiesene erhöhte Belastung mehrerer Räume mit dem krebserregenden Schadstoff PCB (der TV berichtete ausführlich). Sie hat mehrere Lehrer zu einem freiwilligen medizinischen Check veranlasst, die in allen Fällen erhöhte Blutwerte ergeben hätten, wie Elternsprecher Stephan Bytzek betonte.

Vorwurf: unzureichende und verspätete Informationen



Im Mittelpunkt der gemeinsamen Kritik von Schulleitung, Eltern- und Schülerschaft stand der Schulträger, die Verbandsgemeinde Hermeskeil. Der hatte zwar im Sommer eine zweite Messung machen lassen mit Ergebnissen unter den gültigen Grenzwerten. Bytzek und Rektor Hans-Joachim Gärtner beklagten jedoch nachdrücklich die ihrer Auffassung nach unzureichenden und verspäteten Informationen über die Probleme. Auch die bislang von Bürgermeister Michael Hülpes (CDU) ergriffenen Schritte seien bei weitem nicht ausreichend. "Was er als verantwortliches Handeln bezeichnet, bezeichnen wir als Taktieren, Täuschen und Tricksen", so Bytzek. "Wir sind enttäuscht darüber, dass gegen das Problem, das schon jahrelang bekannt ist, nichts unternommen wurde, und wir sind wütend, dass unsere Gesundheit vermeidbaren Gefahren ausgesetzt wird", sagte Schülersprecherin Celina Pazen.

Die Initiatoren der Demonstration bekräftigten unter viel Applaus ihre Forderungen: Schulleitung und Elternbeirat verlangen unter anderem eine umfassende Reihenuntersuchung für Lehrer und Schüler sowie die Erstellung eines kompletten Schadstoffkatasters. Dafür müssten alle Räume der Schule von einem unabhängigen Institut neu begutachtet werden.

Hülpes verfolgte die Demo als Zuschauer, war aber nicht als Redner vorgesehen und ließ deshalb ein Flugblatt verteilen, auf dem die bisher von der VG ergriffenen Maßnahmen aufgelistet waren.

Blutwert-Untersuchung von zwei Schülern



Im TV-Gespräch blieb er bei der Aussage, dass es "keine erhöhte Gefährdung" an der Schule gebe. Man werde sich "intensiv mit den Forderungen" beschäftigen und biete an, die Blutwert-Untersuchung von zwei Schülern der Klassen neun oder zehn zu bezahlen. Ein zusätzliches Gutachten halte "er jedoch nicht für erforderlich, da wir bereits unter realistischen Bedingungen gemessen haben".

Meinung

Eindeutiges Signal

Mit der Demonstration gegen das PCB-Problem, zu der bei besseren Wetterbedingungen sicher noch deutlich mehr Menschen gekommen wären, haben alle Akteure der Realschule gemeinschaftlich ein eindeutiges Signal gesetzt. Ohne Hysterie oder Panikmache zu verbreiten, haben sie der VG als Schulträger klar gemacht: Das, was bisher zur Bewältigung der Krise unternommen wurde, kann uns nicht beruhigen und nimmt uns nicht die Angst vor Gesundheitsschäden. Ihre Forderungen, die nicht überzogen sind, haben Eltern, Schüler und Lehrer formuliert. Nun ist die VG mit Bürgermeister Hülpes an der Spitze gefragt, wobei eins sicher ist: Sollte der Rathaus-Chef am bisherigen Kurs festhalten, dass er genau das macht, was die Vorschriften verlangen, mehr jedoch nicht, wird er das verlorene Vertrauen nicht zurückgewinnen und die Krise nicht entschärfen können. a.munsteiner@volksfreund.de

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