Von Brückenpfeilern und bösen Zwillingen

Hermeskeil · Brandaktuelles Thema, hochkarätig besetzte Expertenrunde, großes Publikumsinteresse: Rund 200 Zuhörer haben am Dienstagabend im Johanneshaus eine Podiumsdiskussion verfolgt, die unter der Fragestellung "Die Flüchtlinge von Hermeskeil - Wie gelingt das Miteinander der Kulturen?" stand. Eine wichtige Erkenntnis lautete: Bei der Integration der Menschen, die zu uns kommen, wird ein langer Atem nötig sein.

Hermeskeil. Der Blick richtet sich an diesem Abend natürlich auch auf die Situation in Hermeskeil, wo aktuell rund 1000 Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung (Afa) in der Ex-Kaserne untergebracht sind. Er geht aber zugleich weit über das lokale Geschehen hinaus und beschäftigt sich ganz grundsätzlich mit der Frage, ob und wie die Integration von Flüchtlingen in die deutsche Gesellschaft funktionieren kann.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat dafür sechs Experten zu einer Podiumsdiskussion ins Johanneshaus eingeladen, das mit rund 200 Zuhörern voll besetzt ist.
Jeder der sechs Experten gibt zunächst eine zehnminütige Stellungnahme ab. Alle berichten von ihren eigenen Erfahrungen und betonen die Aspekte, die ihnen bei diesem Thema wichtig erscheinen. Es folgt eine Diskussionsrunde, die TV-Chefreporter Rainer Neubert moderiert. Zum Abschluss stellen sie sich den Publikumsfragen.
Bei der zweieinhalbstündigen Veranstaltung ist der Ton sachlich, anders als in vielen Fernseh-Talkshows gibt es in der Runde keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten. Es herrscht weitgehend Einigkeit bei vielen Aussagen, die getroffen werden.
Das gilt zum Beispiel bei den engagierten Beiträgen der Journalistin Düzen Tekkal, die in Deutschland geboren wurde, deren Familie aber aus der Türkei stammt und zur Minderheit der christlichen Jesiden gehört. Ihr Standpunkt ist: "Wir sind ein Einwanderungsland. Wir müssen aber die in unserer Gesellschaft gültigen Werte klar formulieren und ihre Einhaltung auch verbindlich einfordern. Wenn jemand hier ankommt und dazu nicht bereit ist, hat er auch sein Aufenthaltsrecht verwirkt."
Tekkal sieht das freiheitlich-demokratische Gerüst in der aktuellen Lage von zwei Seiten bedroht, die sie als "böse Zwillinge" bezeichnet. Gemeint seien damit "muslimische Hardliner" einerseits und Rechtsradikale andererseits.
Die Islamexpertin Necla Kelec macht sich vor allen Dingen dafür stark, den Flüchtlingen klar zu vermitteln, dass es in Deutschland die Gleichberechtigung der Geschlechter gibt. "Wir dürfen bei den Integrationsbemühungen nicht die Frauen vergessen und sollten sie nicht den patriarchalischen Strukturen überlassen."
300 ehrenamtliche Helfer


Mit den Gegebenheiten in der Region Trier und vor Ort in Hermeskeil sind die anderen Teilnehmer in der Expertenrunde gut vertraut. Frank-Peter Wagner ist koordinierender Leiter aller Aufnahmeeinrichtungen im Land. Mit Blick auf die Hermeskeiler Einrichtung, die von den Bürgern sehr gut angenommen werde, sagt er: "Viele Befürchtungen, die am Anfang bestanden, haben sich nicht bewahrheitet." Es sei aber auch so, dass die Flüchtlinge zurzeit nur etwa sechs Wochen in den Afa bleiben und in dieser Zeit "relativ wenig" Kontakt zu den Bürgern haben. Wichtig sei bei der Integration vor allem, "was mit den Menschen geschieht, wenn sie perspektivisch untergebracht sind".
Michael Decker ist Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Trier-Saarburg, der seit August die Notunterkunft in Hermeskeil betrieben hat. Das funktioniere auch gut, "weil wir hier besonders gute Rahmenbedingungen haben". Das DRK könne auf einen Pool von etwa 300 ehrenamtlichen Helfern zurückgreifen. Insofern sieht er seinen Verband auch gut gerüstet, die Aufgabe in Hermeskeil, die eine "sinnstiftende Arbeit" sei, auch über längere Zeit zu übernehmen, ohne überfordert zu sein.
Bernd Kettern, Direktor des Caritasverbandes Trier, ist Vertreter einer Einrichtung, die für die soziale Betreuung von Asylbewerbern zuständig ist. Beim Miteinander der Kulturen ist für ihn bedeutsam, dass es zwei Brückenpfeiler gibt - eine "Willkommenskultur" in unserer aufnehmenden Gesellschaft und eine "Ankommenskultur" bei den Flüchtlingen. Was deren Integration angeht, sagt Kettern aus eigener Erfahrung: "Wir stellen bei vielen den guten Willen fest, aber es wird ein mühsamer Weg." Kettern moniert, dass die hohe Politik zu wenig Geld für Sprachkurse bereitstelle.
Diese Kritik richtet sich aber nicht direkt an den Kreis Trier-Saarburg, der nach Auskunft von Landrat Günther Schartz (CDU) solche Kurse mit 70 000 Euro fördert. Für den CDU-Politiker ist die Kenntnis der deutschen Sprache der "Schlüssel zur Integration". Wichtig erscheint es ihm auch, den Asylbewerbern eine berufliche Perspektive in der Region anbieten zu können, damit nicht alle nach dem Abschluss ihres Verfahrens in die Ballungsräume abziehen. Auch Schartz betont ganz klar, dass es aus seiner Sicht "Spielregeln", allen voran das Grundgesetz gibt, an die sich die Flüchtlinge halten müssten.
Aus dem Publikum meldet sich unter anderem Ursula Stimmler aus Züsch zu Wort. Sie engagiert sich ehrenamtlich als Flüchtlingspatin für eine afghanische Familie in ihrem Ort. Sie betont, wie wichtig es sei, im direkten Kontakt mit der Bevölkerung den Migranten die Werte unserer Gesellschaft wie Demokratie oder Gleichberechtigung nahezubringen.

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