"Wart ihr auch schön brav?"

KELL AM SEE/HERMESKEIL. Jetzt in der vorweihnachtlichen Zeit sind die Kinderherzen offen und empfänglich für schöne, alte Traditionen. Heute ist Sankt-Nikolaus-Tag, aber der heilige Mann war schon gestern Abend bei den Kleinen unterwegs.

Kurz vor 17 Uhr in der Hochwaldgemeinde Kell am See. Das Warten wird der neunjährigen Eva langsam zur Qual. Brüderchen Paul Lorenz (elf) geht es ähnlich. "Wann kommt er denn, der Nikolaus?"Mutter Hildegard Lorenz wirkt beruhigend auf die Kleinen ein. Viele Kinder müsse der Nikolaus beschenken, das brauche schon seine Zeit. Doch dann Geräusche vor der Haustür, ein Glöckchen erklingt. "Jetzt ist er da", flüstert Mutter Hildegard, die vor Aufregung zitternde Eva ergreift ihre Hand."Wart ihr auch recht schön brav?" Ein Standartsatz mit sonorer Stimme, weitergegeben an Generationen, lässt die Kinder vor Ehrfurcht erstarren. Aber der Mann mit dem langen weißen Bart, dem roten Umhang und dem dicken Buch in der Hand lacht, dass sein dicker Bauch wackelt. "Ihr braucht keine Angst zu haben." Er beugt sich zu ihnen nach unten. "Wie ich hörte, wart ihr sehr brav, und deshalb habe ich euch auch schöne Dinge mitgebracht."Die historische Gestalt des Heiligen Nikolaus, die Grundlage für diesen Brauch geht sehr weit in die Vergangenheit zurück. Neben dem Bischof Nikolaus von Myra, der in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebte, wurde auch der Abt Nikolaus von Sion, einem Kloster aus der Gegend von Myra, der am 10. Dezember 564 starb, verehrt. Die Legendenbildung, darüber scheinen sich die Historiker einig, hat wohl aus beiden die uns bekannte Gestalt des Heiligen Nikolaus werden lassen. Überlieferungen zufolge galt Nikolaus als der Freund der Kinder und als der Helfer in der Not. An die Rettung aus der Not erinnert es noch heute, wenn in der hiesigen Region schon vor dem Nikolaustag zur Freude der Kleinen Schokoladen-Nikoläuse und ähnliche Leckereien in auf den Fensterbänken abgestellten Schuhen gefunden werden. Allerdings sollte man sie vorher mit Heu, Stroh oder Karotten füllen - als Nahrung für das Pferd vom Nikolaus.Es geht auch beim Nikolausbrauchtum nicht so sehr um das genaue Nachspielen historischer Ereignisse und um das genaue Wissen dessen, was damals geschehen ist. Vor einigen Jahren noch wurde der Nikolaus oft als Erziehungsinstrument eingesetzt, wobei die Kinder verschreckt wurden und sich nicht unbedingt auf den Heiligen freuten. Auch der Beelzebub, der den Nikolaus mit Kettengerassel begleitete, jeder Zeit bereit, ein Familienmitglied in einen Sack zu stecken, ist nicht mehr dabei. Das alles ist Vergangenheit. Während der Nikolaus sich von Familie Lorenz verabschiedet, um die vielen anderen wartenden Kinder im Hochwald aufzusuchen, sind die bescherten Kinder schon mit dem Auspacken der Geschenke beschäftigt.

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