Warum der Notarzt nach Senheim kam

In Rheinland-Pfalz werden Notarztstandorte bevorzugt an Krankenhäusern eingerichtet. Das ist in der Diskussion über die Morbacher Notarzt-Frage immer wieder zu hören. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In der 600-Einwohner-Gemeinde Senheim im Kreis Cochem-Zell gibt es kein Krankenhaus, aber einen offiziellen Notarzt-Standort.

Morbach/Senheim. "Der einsatzbereit vorgehaltene Notarzt kann in seiner einsatzfreien Zeit zwar nicht für alle ärztlichen Tätigkeiten im Krankenhaus eingesetzt werden, bestimmte Aufgaben, die mit der erforderlichen sofortigen Einsatzbereitschaft bei einem Notarzteinsatz vereinbar sind, aber wahrnehmen und damit Synergieeffekte erzeugen", macht Stefan Wittenberger deutlich, Abteilungsleiter Rettungsdienst, Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Rheinland-Pfalz.Damit können auch einen Teil der Kosten der notärztlichen Einsatzbereitschaft rund um die Uhr finanziert und die Kosten des Notarztsystems gegenüber einem krankenhausunabhängigen Standort gesenkt werden. In Rheinland-Pfalz gibt es nur einen anerkannten krankenhaus-unabhängigen Notarztstandort. Und der liegt in Senheim im Kreis Cochem-Zell. Dieser ersetzte von Oktober 2003 an zwei offizielle Notarztstandorte, am Krankenhaus in Cochem und in Zell. Denn die notärztliche Versorgung sei durch die Krankenhaus-Standorte nicht mehr gewährleistet gewesen. Die Einsatzbereitschaft habe nur noch an die 50 Prozent betragen, und das trotz verbesserter Finanzierungszusagen durch die Krankenkassen. Diese Situation führte letztlich zur Einrichtung eines zentralen Notarztstandortes im Landkreis, der allerdings krankenhausfern eingerichtet werden musste. "Von Senheim aus kann wegen der Moselbrücke der Landkreis Cochem-Zell beiderseits der Mosel wie auch in Richtung Hunsrück und Eifel notärztlich versorgt werden", erklärt Wittenberger die Standortwahl.Im Grunde funktioniere ein krankenhausferner Notarztstandort überall, wenn er refinanziert ist. Das Problem sind die Standortkosten, überwiegend Personalkosten der Notärzte, die zu 100 Prozent von den Kostenträgern des Rettungsdienstes zu tragen sind. Das sind hauptsächlich die gesetzliche Krankenversicherung und die Krankenkassen. Die Jahreskosten für einen solchen Standort belaufen sich auf rund 380 000 Euro. Ein Problem ist dabei auch das Vorhalten von Medikamenten, wie beispielsweise "Lyse" für Herzinfarktpatienten. Es kann Blutgerinnsel schlagartig lösen. Morbach ist derzeit kein anerkannter Notarztstandort. Die Situation in der Einheitsgemeinde ist aus der Sicht Wittenbergers derjenigen im Landkreis Cochem-Zell 2003 nicht vergleichbar, weil dort eine durch niedergelassene Ärzte sichergestellte notärztliche Ergänzungsversorgung nicht mehr funktioniere, während im Landkreis Cochem-Zell zwei anerkannte Notarztstandorte in die Knie gegangen seien. Meinung Knackpunkt Kosten Notärzte sind üblicherweise an einem Krankenhaus stationiert. Diese Regelung in Rheinland-Pfalz beruht auf einer Entscheidung aus den 70er Jahren. Und diese hatte durchaus ihre Berechtigung. Für die Morbacher ist es ein bitteres Argument. Schließlich hatten sie in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht freiwillig auf das Hospital verzichtet. In Zeiten, in denen die Krankenhäuser zeitweilig ihre liebe Not haben, einen Notarzt zur Verfügung zu stellen, ist dies kein ausreichender Grund mehr für den Standort. Das war nicht nur vor fünf Jahren in Cochem und Zell der Fall. Auch in den Nachbarkrankenhäusern der Einheitsgemeinde steht nicht rund um die Uhr ein ärztlicher Lebensretter zur Verfügung. An der Entstehungsgeschichte des kleinen Standortes Senheim werden mehrere Dinge deutlich: Erstens kann es vernünftige Gründe für einen krankenhausfernen Standort geben. Zweitens muss es eine Notwendigkeit für eine solche Lösung geben. Das war im Kreis Cochem-Zell der Fall, weil die Krankenhäuser die Versorgung rund um die Uhr offenbar nicht mehr sicherstellen konnten. Und drittens - und das ist das Entscheidende - muss das Ganze finanziert werden. Sprich: Es geht nicht um das Krankenhaus-Argument - es geht ums Geld. i.rosenschild@volksfreund.de

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