Will zurück auf den Fahrradsattel: Radprofi flieht als Christ aus dem Iran - Hilfe findet er im Hermeskeiler Integrationscafé

Hermeskeil · Im Iran hat der 24-jährige Mehrdad professionell Radsport betrieben. Aus Angst vor religiöser Verfolgung musste er jedoch fliehen. In Deutschland sucht er nun einen Weg, mit dem Sport weiterzumachen. Unterstützung findet er im Integrationscafé der evangelischen Kirche in Hermeskeil. Die Organisatoren haben stets ein offenes Ohr für ihre Gäste - und helfen auf vielfältige Weise.

 Der 24-jährige Mehrdad zeigt eine Reportage aus seinem Heimatland Iran, wo er in einem nationalen Radsportteam gefahren ist. Als Flüchtling im Hochwald würde er mit seinem Sport gern weitermachen. TV-Foto: Christa Weber

Der 24-jährige Mehrdad zeigt eine Reportage aus seinem Heimatland Iran, wo er in einem nationalen Radsportteam gefahren ist. Als Flüchtling im Hochwald würde er mit seinem Sport gern weitermachen. TV-Foto: Christa Weber

Foto: (h_hochw )

Hermeskeil. Mehrdad (24) stammt aus Teheran. Im Mai ist er aus dem Iran nach Deutschland geflohen, zurzeit lebt er in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) in Hermeskeil. Einmal pro Woche besucht er das Dietrich-Bonhoeffer-Haus, wo die evangelische Kirchengemeinde Hermeskeil-Züsch donnerstags ab 15 Uhr ihr Integrationscafé anbietet. Dort trifft der junge Mann Landsleute und Menschen, die ihm Hilfe anbieten. Wie Heike Diederich. Sie sei sofort hellhörig geworden, als Mehrdad "seine Geschichte" erzählt habe, sagt sie. Denn diese Geschichte ist auch für die Pfarrerin, die seit Eröffnung des Cafés im Februar mit vielen "spannenden Biografien" konfroniert wird, ungewöhnlich. Er sei Christ und wegen seiner Religion geflohen, sagt Mehrdad. Da er weder Deutsch noch Englisch spricht, übersetzt Landsmann Alireza für ihn.Von Todesstrafe bedroht


Im Iran hätte ihn ein solches Bekenntnis in Schwierigkeiten gebracht. Denn dort gibt es zwar eine christliche Minderheit mit langer Tradition. Einem Muslim ist es jedoch unter Todesstrafe verboten, zum Christentum überzutreten. "Sie kommen über Bekannte in Kontakt mit Hauskirchen, die sich im Geheimen treffen", weiß Pfarrerin Diederich. Wer diesen Glauben offen ausleben wolle, bringe sich aber in große Gefahr.

So war es auch bei Mehrdad. Hinzu kam, dass er plötzlich seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. "Ich war Radfahrer", sagt der 24-Jährige. Er sei bei nationalen Teams gefahren, habe professionell trainiert und sei bei Rennen im Iran gestartet. Wie zum Beweis zeigt er einen Ausweis der Union Cycliste Internationale (UCI), dem internationalen Radsport-Dachverband mit Sitz in Frankreich. In einem Trainingslager habe ihn ein Kamerad auf dem Zimmer mit einer Bibel erwischt und den Trainern davon erzählt. Nach Rücksprache mit seiner Familie habe er beschlossen, dass die Flucht seine einzige Chance sei.

Jetzt wartet er in der Afa in Hermeskeil auf eine Antwort, wohin er gehen soll. Sein Interview beim Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat er bereits geführt, dort wird nun über seinen Asylantrag entschieden. Dauert das länger, wird er bald einer Kommune zugewiesen - irgendwo in Rheinland-Pfalz. Wird sein Antrag angenommen, darf er sich in Deutschland frei bewegen. Für Mehrdad ist entscheidend, dass er mit seinem Sport weitermachen kann: "Ich liebe das Radfahren." Im Moment hat er jedoch weder Fahrrad noch Team. "Wenn ich ein Rad habe, kann ich hier auch allein trainieren", sagt der 24-Jährige. Mit der Unterstützung eines Teams wäre es leichter - ein Profirennrad kostet mehrere Tausend Euro.

Im Hochwald fühle er sich wohl, sagt der Iraner: "Die Leute sind nett, und es ist ruhig." Heike Diederich hat sich bei Radsportverbänden erkundigt, wohin sich Mehrdad wenden könnte. Aber so richtig helfen konnte ihr bislang niemand: "Man denkt als Laie gleich ans Team Telekom, aber die gibt es ja nicht mehr."Gefühl der Freiheit

 Heike Diederich (links) und ihr Team kümmern sich im Integrationscafé der evangelischen Kirche in Hermeskeil um die Sorgen der Flüchtlinge. Foto: privat

Heike Diederich (links) und ihr Team kümmern sich im Integrationscafé der evangelischen Kirche in Hermeskeil um die Sorgen der Flüchtlinge. Foto: privat

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Die meisten Cafégäste sind Iraner mit "ähnlicher religiöser Sozialisierung" wie bei Mehrdad, sagt Diederich. Das Angebot der Kirchengemeinde habe sich innerhalb dieser Gruppe herumgesprochen. Manche kämen auch aus Thiergarten, Thalfang und Kell am See. Die Atmosphäre sei "offen und freundlich", sagt die Pfarrerin. Sie sei beeindruckt davon "unter welchen Gefahren die Menschen ihren Glauben gelebt haben". Im Café könnten sie ihn erstmals ohne Angst offen ausleben. "Das ist für sie ein neues Gefühl, ein Schub Freiheit." Mehrdad sei von ihr getauft worden, ihren Übersetzer Alireza habe die Gemeinde per Ein-Euro-Job als Küster beschäftigt.

In dem Café, das ehrenamtliche Helfer der Kirchengemeinde organisieren, geht es aber auch um andere Themen. Anfangs war laut Diederich vor allem Hilfe beim Deutschlernen gefragt. Organisiert werden auch Vorträge zu Asylrecht und Arbeitsmarkt, Kleiderspenden und eine Kinderbetreuung im Café. Die Ehrenamtler, denen Mitstreiter stets willkommen sind, helfen auch beim Schriftverkehr mit Behörden oder anderen Problemen: "Wir als Kirche können unser Netzwerk nutzen", sagt Diederich. Das sei wichtig für die Integration: "Man braucht jemanden, der die Türen aufmacht."

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