Kells Überlebenschancen schwinden

Kell am See · Die Verbandsgemeinde (VG) Kell am See kann keine Ausnahmegründe geltend machen, die bei der Kommunalreform für ihren unveränderten Fortbestand sprechen würden. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Gutachten. Der Kampf um den Erhalt der VG geht trotzdem weiter, sagen einige Politiker vor Ort. Andere haben nun jedoch noch mehr Zweifel an einem solchem Erfolg.

Kell am See. Für elf Verbandsgemeinden (VG) bedeutet eine 69-seitige Studie der Technischen Universität Kaiserslautern einen Grund zum Aufatmen. Das im Auftrag des Mainzer Innenministeriums erstellte Gutachten von Professor Martin Junkernheinrich sieht unter anderem für die VG Arzfeld und Neuerburg in der Region Trier "Ausnahmen von der Fusionspflicht", obwohl diese VG weniger als 12 000 Einwohner haben.
Für die VG Kell ist das Gutachten aber alles andere als erfreulich. Sie zählt nämlich zu den 55 VG, bei denen der Wissenschaftler auf der Grundlage des Landesgesetzes zur Kommunalreform einen "Gebietsänderungsbedarf" feststellt und sie als "vollwertigen Fusionskandidaten" ansieht.

Daran ändert auch Kells direkte Nachbarschaft zum Saarland nichts (siehe Extra).
Das Gutachten bestätigt somit eine Aussage von Innenminister Roger Lewentz (SPD), der bereits im Frühjahr als Antwort auf eine vom Keller Rat verfasste Resolution geschrieben hatte, "dass für mich bisher keine hinreichenden Gründe erkennbar sind, die einen unveränderten Fortbestand der VG Kell in Betracht kommen lassen" (der TV berichtete).
Reaktion des Bürgermeisters: Werner Angsten (CDU) sagt deshalb: "Das Ergebnis des Gutachtens ist für mich keine Überraschung." Allerdings habe der Professor nur "vom grünen Tisch aus das Gesetz interpretiert. Unsere örtlichen Argumente haben ja in dieser Studie gar keine Rolle gespielt". So sei beispielsweise die Bürgerumfrage, bei der sich im April knapp 78 Prozent der Einwohner für den Erhalt der VG Kell ausgesprochen hatten, überhaupt nicht in das Gutachten miteingeflossen. "Wir werden ja im weiteren Verfahren angehört, und deshalb steht das Ringen um jeden Einzelfall auch noch aus. Wir werden weiterkämpfen", betont Angsten. Er gehe zudem davon aus, dass das Land bis zur Kommunalwahl 2014 zunächst die 32 VG auf der bisherigen Vordringlichkeitsliste (die bereits 2009 bekannt gewordene sogenannte Bruch-Liste) zu einer Fusion zwingt. "Da stehen wir ja aber nicht drauf", so Angsten. Bei den anderen 23 VG - zu denen auch Kell gehört - rechne er hingegen damit, dass für sie vor der Landtagswahl 2016 "kein Veränderungsbedarf gegeben sein wird." Angsten beruft sich dabei auf Aussagen von Hendrik Hering, dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion.
Das sagt der SPD-Chef: Manfred Rauber, Fraktionssprecher im VG-Rat, betont: "Ich glaube nicht, dass dem Gutachter die Details vor Ort bekannt waren. Wir treten weiter für den Bürgerwillen ein und kämpfen um den Erhalt der VG Kell. Davon sollten wir auch nicht abweichen, nur weil jetzt durch das Gutachten ein nicht so positives Zwischenergebnis vorliegt."
Das sagt der FWG-Vize: Edmund Schmitt weist darauf hin, dass er das Gutachten noch nicht gelesen hat. Da Kell aber auf der Liste der VG mit einem Gebietsänderungsbedarf steht, sagt Schmitt: "Ich schätze, die Chancen für unseren Erhalt sind eher geringer geworden". Er habe so seine Zweifel, "ob wir die Kuh noch vom Eis bekommen." Denn unter anderem hake es derzeit noch bei der Umsetzung der Pläne, dass die VG den Bau und den Betrieb von Windrädern in Eigenregie übernimmt. Damit will die VG Kell das Land davon überzeugen, dass sie aus eigener Kraft ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern kann. Auch das ist ein Argument, das der Gesetzgeber bei der Kommunalreform berücksichtigt.
Das sagt der CDU-Vorsitzende: Sascha Kohlmann, Chef des CDU-Gemeindeverbands Kell, hatte bereits in der Vergangenheit die Überlebenschancen skeptisch beurteilt und während der Freiwilligkeitsphase für Gespräche mit Nachbar-VG geworben: "Das Gutachten bestätigt nur, was ich immer gesagt habe. Die Sachlage ist ja klar. Es gibt ein Gesetz, und ich habe bisher aus Mainz kein Signal gehört, das mir Hoffung macht, dass die VG Kell erhalten bleibt", so Kohlmann.

Meinung

Die Luft wird dünner
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Für die Zukunft der VG Kell wird die Luft immer dünner. Das Land lässt sicherlich kein teures Gutachten erstellen, um es anschließend in den Papierkorb zu werfen. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass es als Grundlage für die Vorschläge dient, die das Innenministerium in Sachen Gebietsänderung angekündigt hat. Das von oben herabkommende Diktat, mit wem die VG Kell fusionieren muss, rückt also einen Schritt näher. Mit dem dann wahrscheinlichsten Szenario verbindet sich aber ein Problem: Naheliegend wäre es, die Orte im Zerfer Raum dem Mittelzentrum Saarburg und den Raum Kell dem Mittelzentrum Hermeskeil zuzuschlagen. Damit wären die alltäglichen Wege der Bürger berücksichtigt. Das wäre allerdings gleichbedeutend mit der Teilung der VG Kell und stünde im Widerspruch zu den Buchstaben des Landesgesetzes, das die Fusion von VG als Ganzes vorsieht. a.munsteiner@volksfreund.deExtra

Das im September 2010 verabschiedete Landesgesetz zur Kommunalreform sagt aus, dass Verbandsgemeinden mindestens 12 000 Einwohner haben müssen, um dauerhaft leistungsfähig zu sein. Unterschreitungen sind dann zulässig, wenn eine VG mindestens 10 000 Einwohner hat, aus mehr als 15 Ortsgemeinden besteht und mindestens 100 Quadratkilometer groß ist. Die VG Kell hat rund 9500 Einwohner, 13 Orte und erstreckt sich über ein Gebiet von 160 Quadratkilometern: Sie erfüllt also nur zwei von drei Kriterien. Darüber hinaus stellt im Gesetz die Grenzlage zu einem Nachbarstaat oder Nachbarland einen möglichen Ausnahmegrund dar. Im Gutachten wurde untersucht, ob dieser Umstand Verbandsgemeinden vor einer Gebietsänderung bewahren kann. Kell zählt zu den 22 Kommunen, die direkte Nachbarn jenseits der Landesgrenze (Saarland) haben. Auf diesen Gesetzespassus kann sich nach Auffassung des Gutachtens aber nur die VG Hagenbach (Kreis Germersheim) im südöstlichsten Zipfel des Landes stützen. Sie hat nur einen rheinland-pfälzischen Nachbarn (die verbandsfreie Stadt Wörth), die zudem noch einen anderen kommunalrechtlichen Status hat. Ansonsten ist die VG Hagenbach nur von Gebieten in Frankreich und Baden-Württemberg umringt. Kell hat mit Hermeskeil, Konz, Ruwer und Saarburg vier rheinland-pfälzische Nachbar-VG. ax

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