Armut? Keine Lust!

Wer hat schon Lust, sich Armut anzuschauen, vielleicht sonntags am Nachmittag mit den Kindern? Gewiss, Brueghels "Die Sieben Werke der Barmherzigkeit" aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts oder "Brot!" von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1924 haben uns wohl doch schon mal interessiert. An modernen Installationen würden wir wahrscheinlich auch nicht ganz achtlos vorübergehen.

Die Ausstellung "Armut - Perspektiven in Kunst und Gesellschaft", die an diesem Wochenende in Trier eröffnet wird, will berühren und Armut in differenzierter Weise zum Thema machen.

Den Trierer Studierenden ist es gelungen, Armut aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und darzustellen. Sie sensibilisieren uns: Armut hat viele Gesichter.

Die Ausstellung enttarnt aber auch die Vorstellung, die hinter dem Satz "Ein jeder ist seines Glückes Schmied" steht als eine zutiefst unbarmherzige Verkürzung, die strukturelle Ursachen von Armut, Scheitern oder dem Menschen unverfügbare Schicksalsschläge ausschließt, die der Eigenverantwortlichkeit Grenzen setzen.

Dietrich Bonhoeffer, der heute vor 66 Jahren im Konzentrationslager Flossenbürg auf Befehl Hitlers hingerichtet wurde, trat ein für eine Ethik der Verantwortung und für die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen.

Kirche hatte für ihn "Kirche für andere" zu sein. Mit Blick auf die Bibel forderte er das Hinsehen und das Eintreten für die Schwachen.

Die Ausstellung wirbt für eine Auseinandersetzung mit Ursachen und Erscheinungsformen von Armut. Die notwendige Eindämmung von Staatsverschuldung wird noch viel stärker von unserer Solidarität und Mitmenschlichkeit, ja von unserer Nächstenliebe begleitet sein müssen, um Not und Armut zu begegnen und Teilhabegerechtigkeit zu verbessern.

Christoph Pistorius, Superintendent, Trier

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