Buhrufe, Beleidigungen, Beschlüsse: Streit um Kommunalreform in Horath eskaliert

Horath · Persönliche Angriffe und Beschuldigungen, Statements, bei denen Redner trotz Appellen an die Sachlichkeit sichtlich aufgewühlt sind, ein Publikum, das jede Wortmeldung der Ratsmitglieder und Ortsbürgermeister lautstark kommentiert: In Thalfang entgleitet die Diskussion um die Kommunalreform zusehends.

Buhrufe, Beleidigungen, Beschlüsse: Streit um Kommunalreform in Horath eskaliert
Foto: Klaus Kimmling (m_huns )

Soll Thalfang anstreben, durch Gespräche die mögliche Fusion der kompletten Verbandsgemeinde (VG) mit Morbach zu einer großen Einheitsgemeinde auszuloten? Als der VG-Rat in seiner Sitzung am Montagabend in der Horather Hochwaldhalle darüber berät, kochen die Emotionen in der rund zweistündigen Diskussion trotz aller Appelle an eine sachliche Diskussion hoch.Wenige Ordnungsrufe


Auf der einen Seite stehen VG-Bürgermeister Marc Hüllenkremer, mehrere Ortsbürgermeister wie der Lückenburger Reiner Roth und die Malbornerin Petra-Claudia Hogh und die Freie Wählergruppe Erbeskopf rund um den Neunkirchener Richard Pestemer. Sie eint das Bestreben, die von mehreren Ortsgemeinden gewünschte Selbstständigkeit zu erhalten. Auf der anderen Seite stehen Sprecher von SPD, FDP und CDU: Sie befürworten Gespräche mit Morbach, um die Möglichkeit einer Fusion der VG mit der Einheitsgemeinde zu einer verbandsfreien Gemeinde auszuloten.

Dazu kommt die Freie Liste, die keine Empfehlung abgibt. Doch gibt es unter den etwa 80 Zuschauern weitere Personen, die sich während der Sitzung lautstark zu Wort melden. Buhrufe und abfällige Äußerungen wie "Lügen" oder "Diktatur" in Richtung der Befürworter von Gesprächen mit Morbach und starker Applaus und beifälliges Gejohle für die Redner, die die Selbstständigkeit der Ortsgemeinden hochhalten, begleiten die Wortmeldungen der Mandatsträger. Besonders die Landtagsabgeordnete Bettina Brück hat Mühe, sich trotz Mikrofons gegen die Zuschauer durchzusetzen, sieht sich gar mehrfach gezwungen, auf Zwischenrufe aus dem Publikum einzugehen.

Sitzungsleiter Hüllenkremer lässt die lautstarken Zuschauer gewähren, ruft diese nur gelegentlich und dann wenig energisch zur Ruhe. Brück sagt, bereits beim Betreten der Halle seien ihr von einem Heidenburger Bürger SS-Methoden vorgeworfen worden. "Auf welches Niveau sind wir gesunken", fragt sie.

Der erste Beigeordnete Burkhard Graul attackiert die Ortsbürgermeister Petra-Claudia Hogh aus Malborn und Richard Pestemer aus Neunkirchen und zitiert aus E-Mails zwischen Vertretern der Heidenburger BI Pro Schweich und Pestemer.
Kommunal reform


Bei der jüngsten Sitzung des Malborner Gemeinderats sei er persönlich angegriffen worden, Protokolle nicht-öffentlicher Sitzungen seien von Pestemer weitergegeben worden, bevor die Sitzungsteilnehmer diese selbst erhalten hätten.
"Sie sind der größte Unruhestifter. Ihnen geht es nur ums Kaputtmachen", ruft er sichtlich wütend Pestemer zu. Graul kündigt an, wegen der Weitergabe der Protokolle aus vertraulichen Sitzungen die Kommunalaufsicht und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Dazu attackiert er Bürgermeister Hüllenkremer: "Sie machen sich mitschuldig, wenn nicht öffentliche Sachen verbreitet werden." Dass auch Beschlüsse gefasst worden sind, ist aufgrund der heftigen Auseinandersetzungen fast zur Nebensache geworden. So haben die Ratsmitglieder mit 14 Ja-Stimmen bei dreimal Nein und vier Enthaltungen entschieden, dass mit der EG Morbach Fusionsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Bei den Gesprächen soll auch geprüft werden, ob die Bürgerentscheide und Ratsbeschlüsse in mehreren Ortsgemeinden für eine Gesamtlösung berücksichtigt werden können.

Die VG Schweich wird mit 17 Ja-, zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen aufgefordert, sich bis zum 31. Dezember zu einer möglichen Aufnahme von Büdlich, Breit und Heidenburg zu positionieren. Anderenfalls geht die VG Thalfang davon aus, dass eine Eingliederung nicht gewünscht ist. Zudem nimmt der VG-Rat zur Kenntnis, dass die Ortsgemeinde Deuselbach in die EG Morbach wechseln will. Jedoch sei eine Entscheidung erst dann sinnvoll und möglich, wenn die Vermögens- und Beteiligungsverhältnisse ausreichend geklärt sind.Meinung

Früh genug den Riegel vorschieben
Dass die Kommunalreform offenbar doch kein so dröges Thema ist, beweist diese turbulente Sitzung in Horath. Es darf aber nicht soweit kommen, dass das Diskussionsniveau dermaßen unter die Gürtellinie sinkt. Dem muss der Sitzungsleiter - also der Verbandsgemeindebürgermeister - früh genug und mit aller Kraft einen Riegel vorschieben, um eine Eskalation zu verhindern. Dann hätte das Gremium vielleicht entspannter über das Thema diskutieren können. Denn im Grunde genommen sind die Marschrichtungen doch klar und mehrfach erläutert worden: Die alte Mark Thalfang will nach Morbach, Neunkirchen und Malborn wollen nach Hermeskeil; und Büdlich, Breit und Heidenburg nach Schweich. hp.linz@volksfreund.deExtra

VG-Bürgermeister Marc Hüllenkremer: Hüllenkremer ist nicht bereit, den Willen der Ortsgemeinden zu übergehen und will in deren Auftrag mit den VG Birkenfeld und Hermeskeil weiter verhandeln. Wenn nur mit Morbach gesprochen werde und die Ortsgemeinden einem Zusammenschluss nicht zustimmten, ginge Zeit verloren. Dieses "fahrlässige Verhalten" stehe im Gegensatz zum Gemeinwohl und gefährde das Grundzentrum Thalfang. Reiner Roth, Ortsbürgermeister von Lückenburg: Die Umwandlung in einen Ortsbezirk bedeute, dass die Bürger ihre ortsnahen und ortskenntnisreichen politischen Vertreter verlieren. Der mit dem Wechsel in eine Einheitsgemeinde verbundene Verlust zahlreicher Rechte, dazu gehören beispielsweise die Planungshoheit und Finanzhoheit, bedeuteten erhebliche Nachteile für die Bürger in den Ortsgemeinden. Diese müssten gehört werden, deren Beschlüsse in den des VG-Rats mit einfließen. Richard Pestemer, Freie Wählergruppe Erbeskopf: Er verweist auf Bürgervoten in mehreren Ortsgemeinden, die den Anschluss an andere Kommunen bei Beibehaltung der Selbstständigkeit befürworten. Bei einer einseitigen Ausrichtung auf eine Fusion mit Morbach werde das Grundzentrum Thalfang geschwächt. Stephan Müller, Neue Liste, sagt, er könne das Horrorszenario bezüglich Morbach nicht mehr hören. Man könne auch in Selbstständigkeit sterben. Die Ortsgemeinden sollten sich eindeutig positionieren, nur so könnten Grundlagen erarbeitet werden. Man könne nicht mit Hermeskeil und Morbach verhandeln, wenn man nicht wisse, wer wohin will. Werner Breit, FDP sagt, Morbach und Thalfang würden gut zusammenpassen. Die Infrastruktur ergänze sich. Was bedeutet eine Fusion für die Lebensqualität der Menschen, fragt er. Es sei nicht entscheidend, ob man in einer Ortsgemeinde oder einem Ortsbezirk lebe. Bettina Brück, SPD: Es gehe um eine einvernehmliche Gesamtlösung für die VG. Man müsse ein Konzept vorlegen, wie die Strukturen künftig aussehen sollten. Birkenfeld habe ein wenig aussagekräftiges Angebot gemacht. Sie kenne niemanden, der daran Interesse habe. Man müsse das Wohl der gesamten VG und die Lebensqualität der Bürger im Blick behalten und schauen, dass die Infrastruktur wie Realschule plus, der Erbes kopf und das Erholungs- und Gesundheitszentrum erhalten bleibe. Luzia Steffes, CDU, wirft den Gegnern der Fusionsgespräche mit Morbach vor, die Einheitsgemeinde als Verhandlungspartner zu diskreditieren. Man müsse jedem Ort die Möglichkeit geben, seinen Wunschpartner zu finden. In der Diskussion würden Ängste geschürt. Sie wirft Hüllenkremer vor, nur Gespräche zu führen und nicht die Probleme zu sehen.

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