Denk’ mal nach: Thalfang ehrt Samuel Hirsch

Thalfang · Einer der bedeutendsten Bürger Thalfangs war Samuel Hirsch. Der Rabbiner und Wissenschaftler hat sich für eine an die Realität angepasste Religion eingesetzt. Ihm will die Hunsrückgemeinde nun ein Denkmal setzen. Dafür gibt es 7100 Euro von der Europäischen Union.

Thalfang. Freiheit, Humanität, Toleranz, Religion: Das sind vier Grundgedanken, die das Credo von Samuel Hirsch ausmachen. Für den jüdischen Religionsphilosophen kann Religion nur ohne Dogmen funktionieren. Kein Mensch sollte für sich beanspruchen, die absolute Wahrheit gefunden zu haben. Das ist auch in der heutigen Welt immer noch ein sehr moderner Gedanke. Samuel Hirsch ist aber schon lange tot. Der 1815 geborene Thalfanger ging mit 13 Jahren in die Rabbinerschule in Metz und wurde schließlich in den USA einer der bedeutendsten Religionswissenschaftler. Für Hirsch war es wichtig, die Religion an die Gegebenheiten der Realität anzupassen, ohne den Kern aufzugeben. Diese Botschaft will der Thalfanger Elmar Ittenbach bewahren. Der ehemalige Lehrer und passionierte Historiker hat sich mit der jüdischen Geschichte von Thalfang beschäftigt und dazu ein Buch veröffentlicht ("Jüdisches Leben in Thalfang"). Bei seinen Recherchen stieß er auf Samuel Hirsch. "Er war zwar nur bis zu seinem 13. Lebensjahr in Thalfang, beschrieb sein Elternhaus aber immer als sehr liebevoll und als wichtigen Grundstein für seine Forschungen", sagt Ittenbach. Deshalb setzte er sich dafür ein, in Thalfang an Hirsch zu erinnern - und konnte damit den Thalfanger Gemeinderat überzeugen. Konkret soll der bereits nach Samuel Hirsch benannte Platz neben dem Haus der Begegnung ein etwa 2,40 Meter hohes Denkmal und drei Sitzbänke erhalten. "Es geht uns um einen Raum des Nachdenkens, deshalb auch der Titel ,NachDenkMal'", sagt Ittenbach, der das Denkmal mitgestaltet hat. Zwei Infotafeln, die über das Leben von Samuel Hirsch informieren, sollen die Anlage ergänzen. Das Denkmal besteht aus Stahlträgern in Form eines Obelisken, auf dessen Spitze zwei aufeinanderliegende Pyramiden ruhen. Auf den vier Seiten des Obelisken stehen die vier Grundgedanken des Rabbiners, während die Pyramiden das Göttliche und die Liebe symbolisieren sollen. "Das ist stahlgewordene Philosophie in luftig-windiger Konstruktion", sagt Ittenbach, der schon mehrfach im Ort auf das Projekt angesprochen wurde und ein positives Feedback erfahren hat. Das Projekt kostet 9500 Euro, wovon 7100 Euro von der Lokalen Arbeitsgruppe der EU gefördert werden. Im Spätsommer 2016 soll das Denkmal schließlich stehen. Für Bürgermeister Burkhard Graul ist Thalfang ein bedeutender Ort für die jüdische Geschichte. Er begrüßt das Engagement und bekräftigte, wie wichtig es ist, die Erinnerung an jüdische Schicksale in Thalfang wach zu halten. Im Ort seien auch 21 Stolpersteine verlegt worden. Meinung

Ein Ort setzt ein Zeichen Dass Thalfang einem jüdischen Mitbürger einen Gedenkplatz widmet, zeugt von Größe und einem verantwortungsvollem Umgang mit der Geschichte. Es ist ein Zeichen des friedlichen und menschlichen Miteinanders aller Menschen auf dieser Welt. Denn immer noch werden Kriege wegen religiösem Extremismus ausgetragen. Die Thesen von Samuel Hirsch haben auch heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren: Freiheit, Humanität, Toleranz und Religion sind wichtige Werte, die zu einem friedvollen und menschlichen Zusammenleben beitragen. Samuel Hirsch war ein großer Sohn von Thalfang - und es ist großartig, dass die Thalfanger sein Andenken in Ehren halten. hp.linz@volksfreund.deExtra

Das Leader-Programm der Europäischen Union dient der Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum. In einem abgegrenzten Gebiet, der Leader-Region, arbeitet die sogenannte Lokale Aktionsgruppe (LAG) und ist verantwortlich, das regionale Entwicklungskonzept umzusetzen. In Deutschland arbeiteten in der Förderphase 2007 bis 2013 244 Leader-Regionen, zwölf davon in Rheinland-Pfalz (darunter Erbeskopf, Hunsrück und Mosel). Europaweit waren über 2300 Leader-Regionen tätig. Das Budget betrug zwischen 2007 und 2013 14 Milliarden Euro. hpl Extra

Samuel Hirsch wurde am 8. Juni 1815 in Thalfang geboren. Er starb am 14. Mai 1889 in Chicago. Hirsch war Rabbiner, Religionsphilosoph und Vertreter des Reformjudentums zunächst in Deutschland, dann in den USA. Er studierte an den Universitäten Bonn und Berlin, erhielt seine rabbinische Ausbildung in Metz (Frankreich) und dann in Mainz. Er war ab 1839 Rabbiner. Schon zu dieser Zeit arbeitete er an der "Religionsphilosophie der Juden", dem ersten Band einer umfangreichen Forschungsarbeit. 1842 legte er an der Universität Leipzig seinen Doktortitel ab. Von 1843 bis 1866 war er Großrabbiner des Großherzogtums Luxemburg und schloss sich einer Freimaurerloge an. Er heiratete Louise Micholis und wurde Vater dreier Söhne. 1866 erhielt er einen Ruf als Rabbiner der Reformgemeinde in Philadelphia und wanderte in die USA aus, wo er seine Religionsphilosophie weiterentwickelte. hpl

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