Wederath: Sensationsfunde aus sieben Jahrhunderten

Wederath · Eine Befestigungsanlage und ein neuer Tempelbezirk mit drei Kultstätten aus sieben Jahrhunderten: Wissenschaftler haben bei Ausgrabungen im Archäologiepark Belginum Spektakuläres entdeckt. Die Funde lassen auf reges antikes Leben entlang der Hunsrückhöhenstraße schließen - und das Ende der Siedlung.

Wederath. Es sind nur wenige Meter, die die Kreuzung von Hunsrückhöhenstraße (B 327) und B 50 höher liegt als ihre Umgebung. Dort, auf dem höchsten Punkt des römischen Dorfes (Vicus) Belginum, mit guter Weitsicht in alle Richtungen - Mosel, Nahe, Morbach, Simmern - hatten die ehemaligen Bewohner eine Festung errichtet. Was von dieser Anlage erhalten blieb, haben Wissenschaftler nahe des Archäologieparks Belginum nun ausgegraben: Reste eines doppelten Mauerwerks, jedes mehr als zwei Meter stark. Quarzitblöcke, Grauwacken und Schiefer liegen in zwei Bögen direkt unter der Abfahrt von der B 50 nach Wederath. Auch Reste ehemaliger Bauten und Säulen, sogenannte Spolien, sowie Mühlsteine aus Basalt wurden verbaut.
Südlich der B 50 fanden die Archäologen eine Wallanlage aus drei hintereinander gereihten Gräben. Rosemarie Cordie, Leiterin des Archäologieparks, vermutet, dass das Grabensystem an dieser Stelle die Mauer ersetzte. "Wir waren erstaunt, hier eine Festung zu finden", sagt Cordie. Sie stamme aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, die Zeit der Germaneneinfälle. "Zu diesem Zeitpunkt war das große Leben im Vicus vorbei", ergänzt Grabungsleiter Marco Schrickel. Damals habe die Römerstraße Mainz-Trier, auf deren Trasse heute die Hunsrückhöhenstraße verläuft, an Bedeutung verloren. "Das machte die wirtschaftliche Grundlage des Vicus zunichte. Die restlichen Bewohner haben hier einen Punkt errichtet, an dem sie geschützt sind und sich verteidigen können."Rückzugsort für Dorfbewohner


Die Festung in Wederath ist laut Schrickel mit rund 60 mal 70 Metern Ausmaß eher klein. Der Archäologe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Trier, die die Grabung in Kooperation mit der archäologischen Denkmalpflege betreibt. Finanziert wird sie vom Landesbetrieb Mobilität (LBM). Denn auf dem Gelände, das die Wissenschaftler untersuchen, soll die Trasse der B 50 neu entstehen. Nun ist Winterpause, die Befunde werden mit Folie abgedeckt - im Frühjahr soll es mit der Grabung weitergehen.
Die größte Ausdehnung hatte Belginum im 2. bis Anfang des 3. Jahrhunderts. Im Vorfeld der Grabungen hatten Mitarbeiter der Uni Trier das Erdmagnetfeld vermessen. Störungen im Boden ließen erkennen, dass sich die antike Kleinstadt statt der bisher vermuteten 600 über eine Länge von rund 800 Metern erstreckte. Tatsächlich fanden Schrickel und sein Team direkt unterhalb der Straße nach Wederath Hausfußböden aus gestampftem Lehm. Darüber liegt der Estrich der Festung. "Die Mauern sitzen auf dem Vicus. Wir haben hier die Jahrhunderte schichtweise aufeinander, die jüngste liegt oben."
Seit Grabungsbeginn im April haben die Archäologen auf dem gut ein Hektar großen Areal eine weitere Sensation aufgespürt: einen dritten Tempelbezirk mit drei antiken Kultstätten. Die Grabungsmitarbeiter sind beim Baggern auf acht Quarzitblöcke gestoßen, neben denen einst Holzpfeiler standen. Sie bilden einen Kreis von zehn Metern Durchmesser um einen zentralen Stein: ein keltisches Naturheiligtum, vermutlich aus dem 3. Jahrhundert vor Christus. Daneben stand ein achteckiger Holztempel. Ein seltener Grundriss, sagt Cordie. Er sei in der letzten Hälfte des 1. Jahrhunderts vor Christus errichtet und spätestens in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus abgerissen worden.
"Das ist genau der Zeitpunkt, als die Römer hier ihre Strukturen etabliert haben." Aus dem 3. Jahrhundert stammt der gallo-römische Tempel mit einem 10,5 mal 10,5 Meter großen Innenraum. "Der Tempel hatte einen überdachten Porticus, einen Säulengang, mit hölzernen Pfeilern", erklärt Schrickel. Er könnte auf die fortschreitende Romanisierung in der Region hinweisen.
Im Tempelbereich fanden Schrickel und sein Team Glasscherben; Reste wertvoller Opfergaben. Wie den Gladiatorenbecher aus der Mitte des 1. Jahrhunderts, auf dem vier Gladiatorenpaare mit Namen abgebildet sind.
"Wir haben auch den Mann in der Festung gefunden", ist sich Cordie sicher. Auf dem Grabfeld nördlich des Vicus sei in einem der jüngsten Gräber eine goldene Fibel gefunden worden, eine antike Gewandnadel aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, deren Enden wie eine Zwiebel geformt sind, sagt Cordie. "Solche Abzeichen trugen nur hohe Militärs."Extra

In dem archäologischen Denkmal Belginum an der Hunsrückhöhenstraße bei Wederath, einem wichtigen Kreuzungsbereich an der alten römischen Verbindung von Trier nach Bingen beziehungsweise zu Mosel und Nahe, graben Archäologen bereits seit 1954. Bislang haben sie ein keltisch-römisches Gräberfeld "Hochgerichtsheide" mit rund 2500 Bestattungsstätten (1954-85), eine Siedlung (Vicus) mit Tempelbezirk (ab 1969), einen zweiten Tempelbezirk (ab 1995), ein Kulttheater (2001-2003) sowie ein römisches Militärlager (ab 2000) entdeckt. Im Jahr 2002 wurden der Archäologiepark und das Museum mitten im antiken Straßendorf eröffnet. Das Museum verdeutlicht anhand von Originalfunden das Leben an einer Fernstraße in keltischer und römischer Zeit. Im Außenbereich können die Gäste auf einem einen Kilometer langen Wanderweg das römische Dorf, die Entfernung zum Gräberfeld und die Lage des Tempelbezirks erkunden. Für die Besucher wurden ein etwa 18 Meter tiefer Brunnen aufgemauert sowie Grabhügel und Gärten rekonstruiert. mehi

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