Wie aus dem Bunker Erwin ein Rechenzentrum wird

Börfink · Das Unternehmen IT Vision Technology GmbH (ITVT) aus Schwaben hat die ehemaligen Bundeswehrbunkeranlage Erwin bei Börfink erworben. Seit wenigen Tagen ist dort ein Hochleistungsrechenzentrum am Datennetz.

 In der ehemaligen Bundeswehrbunkeranlage „Erwin“ bei Börfink betreibt das Leonberger Unternehmen ITVT ein Hochleistungsrechenzentrum. Die ersten Server sind zum Jahreswechsel in Betrieb gegangen. Foto: Reiner Drumm

In der ehemaligen Bundeswehrbunkeranlage „Erwin“ bei Börfink betreibt das Leonberger Unternehmen ITVT ein Hochleistungsrechenzentrum. Die ersten Server sind zum Jahreswechsel in Betrieb gegangen. Foto: Reiner Drumm

Börfink. "Wir sind zum 31. Dezember ans Netz gegangen", berichtet Geschäftsführer Jochen Klipfel. Rund zehn Petabyte Speicherkapazität (eine Million Gigabyte) bieten die in der Bunkeranlage stehenden Server. Über mehrere leistungsstarke Glasfaserleitungen ist das abgesicherte Rechenzentrum mit dem internationalen Netzknotenpunkt in Frankfurt verbunden.
Doch bis in der Bunkeranlage ein hochmodernes Rechenzentrum ans Netz gehen konnte, waren umfangreiche Baumaßnahmen notwendig. Unter anderem mussten die unterirdischen Serverräume so aufgebaut werden, dass eine Brandgefahr ausgeschlossen ist.
"Eine Berufsfeuerwehr wie zu Bundeswehrzeiten ist nicht bezahlbar", erläuterte Klipfel. Daher erarbeitete man eine Lösung, die den Sauerstoffgehalt in der Luft so reduziert, dass selbst Streichhölzer ausgehen. "Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis wir die Lösung hatten", berichtet der Geschäftsführer. Auch das Energiekonzept für die Stromversorgung der Server und die Ableitung der Wärme galt es zu lösen. Dafür ist auf den Dächern der Gebäude eine Ein-Megawatt-Fotovoltaikanlage gebaut worden.
Auch die alten Energiebunker der Bundeswehr waren als Netzersatzanlagen ein Thema. Für die Abwärme wird das alte Kühlwasserbecken der Anlage genutzt, von dem wiederum eine Nahwärmeversorgung für die Gemeinde möglich ist. Dies soll für die Heizung der Außengebäude verwendet werden. Zudem gab es keine digitalisierten Unterlagen der 20 000 Quadratmeter großen unterirdischen Bunker. "Wir haben von der Bundeswehr zwar jede Menge Aktenordner bekommen, aber ohne die Hilfe ortskundiger Ehemaliger hätten wir unser Ziel nie erreicht", sagt Klipfel. Ein großer Schritt sei die Baugenehmigung für einen Bunker sowie zwei der Außengebäude gewesen, erklärt er und lobt die Unterstützung von Ortsgemeinde und Kreisverwaltung. "Für die Gemeinde Börfink ist ITVT ein Gewinn", sagt Ortsbürgermeister Martin Döscher.
Neben der Nahwärmeversorgung wird die Gemeinde im ersten Quartal über die Glasfaserleitungen des Unternehmens auch Zugang zu schnellem Internet erhalten.
Insgesamt gut 3,5 Millionen Euro hat ITVT in Börfink investiert. Auch wenn zurzeit erst knapp 15 Leute in der Anlage arbeiten und Haustechnik, Sicherheit und Geländebetreuung sicherstellen, sollen in einem Gebäude Unterkünfte für ein Schulungszentrum entstehen. Ein Wunsch der Gemeinde wäre aber auch mit Blick auf den Nationalpark die Schaffung eines Gastronomiebetriebs. "Wir sind Vorschlägen gegenüber offen, aber es muss sich realisieren lassen", erläutert Klipfel auf die Frage, ob die geplanten Übernachtungsmöglichkeiten für Seminarteilnehmer sich nicht mit einem Gastronomieangebot verbinden ließen. Auch weitere Angebote für die Nationalparkregion seien in Börfink vorstellbar, eventuell als Ausgangspunkt für Rad- oder Wanderstrecken mit einem großen Parkplatzangebot. "Wir bekommen ein hoch innovatives Unternehmen, das Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Region schafft", erklärt auch Michael Dietz, Wirtschaftsförderer des Landkreises Birkenfeld.Extra

IT Vision Technology GmbH (ITVT) mit Hauptsitz in Leonberg bei Stuttgart und Tochterunternehmen in Karlsruhe, Köln, Hamburg, Börfink und auch in Lauda-Königshofen, wo vor kurzem eine kleinere aufgegebene Bundeswehrbunkeranlage erworben wurde, bietet Kunden große, neuesten Sicherheitsstandards entsprechende und schnell verfügbare Speicherkapazität an. Insbesondere für große Energieversorger, den Internetversandhändler Amazon, aber auch für die US-Luftwaffe in Europa sammelt und pflegt das Unternehmen Daten, die beispielsweise benötigt werden, um Stromkunden den gewählten Tarif zu berechnen oder den Direktversand zu steuern. Dafür bietet ITVT einen sogenannten Tier-IV-Garantielevel. Das schwäbische Unternehmen stellt sicher, dass Stromversorgung, Kühlung und Netzwerk vollständig redundant sind und dass die Anlage über 99,99 Prozent verfügbar ist. Als Microsoft-zertifiziertes Unternehmen entwickelt ITVT Software für mittelständische Unternehmen und schult zudem auch deren Mitarbeiter. red

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