"Wie eine Flugzeug-Abschussrampe"

Morbach · Bei den Morbachern scheint der behindertengerechte Zugang zum Café Heimat glatt durchgefallen zu sein. Über das Bauwerk wird viel geschimpft. Bürgermeister Andreas Hackethal und das verantwortliche Architekturbüro verteidigen die Rampe als einzig mögliche Variante.

 Passt der Aufgang zum Haus oder passt er nicht? Morbacher Bürger sehen die Rampe, die Behinderten den Zugang zum Café Heimat ermöglichen soll, kritisch. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Passt der Aufgang zum Haus oder passt er nicht? Morbacher Bürger sehen die Rampe, die Behinderten den Zugang zum Café Heimat ermöglichen soll, kritisch. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Morbach. Vergangene Woche wurde die Rampe am Eingang des Café Heimat in Morbach aufgebaut. Seitdem ist sie Ortsgespräch und kommt nicht gut dabei weg. "Die ganze Biergasse ist verunstaltet. Das sieht aus wie eine Flugzeug-Abschussrampe", sagt Karl-Heinz Weyand und ergänzt: " Ich bin durch den Ort gegangen und von fünf Leuten auf die Rampe angesprochen worden."
Bruni Kluss aus Hinzerath, die beim Café vorbeikommt, meint: "Das Haus ist verschandelt, es passt überhaupt nicht zusammen. Es sieht aus wie eine Rampe für einen Viehauftrieb." Ihr Mitbewohner aus der Wohngemeinschaft, Jörg Gliese, selbst Rollstuhlfahrer, stellt fest: "Ich würde diese Rampe ohne Hilfe nicht hochkommen. Ein Aufzug wäre mir lieber, damit komme ich alleine klar." Eine Geschäftsfrau aus dem Ortskern sagt: "Die Leute kommen in den Laden und beschweren sich über die Rampe."
In Auftrag gegeben hat den Bau des behindertengerechten Zugangs die Gemeindeverwaltung, die sich bei der Planung mit Edgar Reitz und dem Café-Betreiber Alfons Schramer abgestimmt hat. Der Gemeinderat hat das Projekt abgenickt.
Bürgermeister Andreas Hackethal erklärt: "Dass wir die Rampe brauchen, ist unstrittig." Es sei eine Herausforderung, die Barrierefreiheit an dieser Stelle herzustellen, an der 1,20 Meter Höhenunterschied überwunden werden mussten. Hackethal bittet um Geduld. "Die Rampe ist noch nicht fertig. Glaselemente werden noch eingebaut und zusätzliche Anreize mit Blumen oder Ähnlichem geschaffen."
Das Bauwerk werde sicherlich anders bewertet, wenn es fertig sei. Vorher habe eine kleine steile Treppe eine Barriere gebildet, nun habe man eine einladende Rampe, die sich einfügen werde.
Geplant hat den Zugang das Morbacher Architektur- und Ingenieurbüro Jakobs - Fuchs. Georg Schuh, Mitarbeiter des Büros und Ortsvorsteher, verteidigt das Bauwerk. "Es wäre an der Stelle nichts anderes möglich gewesen." Schuh verweist auf Vorschriften beispielsweise zur Neigung der Rampe. Auf Nachfrage ergänzt er, dass diese geradlinig verlaufen müsse, weil für eine Kurve kein Platz vorhanden sei und eine solche auch in keiner Weise Sinn mache. Edelstahl habe man als Material gewählt, um eine schlanke Konstruktion zu ermöglichen. Und überhaupt: "Die Rampe ist eine sehr gute Lösung und passt zum Gebäude."
Und wie wäre es mit einem Zugang über die seitliche Terrasse? Auch der sei nicht möglich gewesen, sagt Schuh. Langsam ungeduldig verweist er darauf, dass es drei Entwürfe gegeben habe und erwähnt zudem das Argument Kostendruck.Architekten halten sich zurück


Fragt man andere Architekten nach dem Morbacher Projekt, wird Kritik an der Optik zwar deutlich geäußert, aber nur hinter vorgehaltener Hand. Auch die Architektenkammer hält sich bedeckt und verweist wortreich auf "Elemente der Qualitätssicherung" wie Architekturwettbewerbe und Gestaltungsbeiräte, die es für kleine Kommunen auch in mobiler Form gibt, allerdings noch nicht in Rheinland-Pfalz.
Und was sagen die übrigen Projektbeteiligten? Auch sie geben sich wortkarg. Café-Betreiber Alfons Schramer erklärt, der behindertengerechte Aufgang sei nötig und es gebe Zwänge beim Bau. Im Namen von Edgar Reitz antwortet dessen Sohn Christian diplomatisch mit den Worten: "Ich möchte zuerst mit der Gemeinde besprechen, ob man den Vorbehalten, die möglicherweise kommen, wohlwollend entgegenkommen könnte."Meinung

Qualität geht anders
Passt das zusammen? Immer wieder wurde im Entstehungsprozess des Café Heimat betont, dass Qualität besonders wichtig sei. Und dann wird ein Brummer von Rampe an das alte Gebäude geklatscht, der wie eine neue Barriere wirkt, obwohl er doch einen barrierefreien Zugang ermöglichen soll. Schön und qualitätvoll geht anders. Nur wie? Hatten die Planer an dieser Stelle wirklich so wenig Spielraum oder fehlten Kreativität oder auch Geld? Das sollte hinterfragt werden. Lag es an den Finanzen oder an fehlender Fantasie, wäre Nachbessern angesagt. m.maier@volksfreund.deExtra

Das Café Heimat im Elternhaus von Edgar Reitz wird offiziell am 6. Oktober eröffnet, Besucher werden dort aber spätestens zum Morbacher Herbst bereits empfangen. Sie können im Café Szenenbilder und Requisiten der Reitz-Filme sowie Bücher zu den Werken anschauen und Filmsequenzen abrufen. Langfristig soll das Café zu einem Veranstaltungsort werden. Der Umbau des Hauses hat 246 000 Euro gekostet, davon waren 56 000 Euro für Terrasse und Rampe eingeplant. Die Gemeinde zahlt für das von der EU geförderte Projekt 138 000 Euro.

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