"Alt werden, ohne alt auszusehen"

HEIDENBURG. Alle reden von der demografischen Entwicklung. Der 780-Einwohner-Ort Heidenburg machte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend konkret Gedanken darüber, wie ältere Menschen künftig in Heidenburg leben können.

Ein bundesweiter Trend macht auch vor dem Hunsrück nicht halt: Die Bevölkerungszahlen gehen zurück. Und die Menschen werden künftig älter. Allein die Zahl der über 90-Jährigen soll sich in den kommenden 25 Jahren verdoppeln. Für das Leben von Senioren wird dies gravierende Folgen haben, zumal die Großfamilie früherer Zeiten auch auf dem Land immer seltener wird. Heutzutage sind nicht nur nach Auffassung des SPD-Landtagsabgeordneten Günter Rösch, der die Veranstaltung "Neue Wohnformen für ältere Menschen im ländlichen Raum" moderierte, für die Alten "maßgeschneiderte Lösungen gefragt". Richard Auernheimer, Staatssekretär im Mainzer Sozialministerium, schaute mit einer "Heidenburger Initiative" weit in die Zukunft. Wohn- und Hausgemeinschaften, integriertes Wohnen sowie Siedlungsgenossenschaften, das Wohnen von Senioren in dem Ort zwischen Hunsrück und Mosel kann ganz unterschiedlich aussehen. "Im Dorf ist alles möglich", machte der Staatssekretär den rund 100 Gästen der SPD-Kreistagsfraktion Bernkastel-Wittlich in Heidenburg Mut. Auernheimer stellte im Rahmen der Erprobung neuer Wohnformen auch Landesmittel in Aussicht. Die Selbstständigkeit älterer Menschen im Dorf sei nicht denkbar ohne die Barrierefreiheit zu Hause und im öffentlichen Raum, zeigten der Architekt Thomas Meier und Hermann Brück von der Kreisverwaltung auf. Die Anwesenden hörten den Ausführungen auf dem Podium interessiert zu und diskutierten sehr pragmatisch mit. Als VG-Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo auf die Möglichkeiten aufmerksam machte, mit Altbausanierungen für Senioren dem Problem der leer stehenden Häuser zu begegnen, tauchte die Frage im Publikum auf, wer sich Altbausanierungen leisten könne. "Das muss nicht teurer sein als ein Neubau", antwortete Brück und machte auf die erheblichen Fördermöglichkeiten im Rahmen der Dorferneuerung aufmerksam. Auf Überlegungen von Ortsbürgermeister Dietmar Jäger, bei fehlender Infrastruktur sich die Brötchen per Internet zu bestellen, warf eine Zuhörerin spontan ein: "Kommen die Senioren überhaupt damit klar?" Maria Müller aus Heidenburg regte an, an neuralgischen Punkten in Thalfang und Heidenburg, wo häufig Senioren die Straßen queren, Fußgängerüberwege zu schaffen. "Die Alten trauen sich teilweise gar nicht über die Straße", hat sie häufig selbst beobachtet, während Hildegard Kolz, ebenfalls aus Heidenburg, von einer Notsituation ihres älteren Vaters berichtete, der sich nach einem Arztbesuch Medikamente nur in einer Trierer oder Morbacher Apotheke abholen konnte. Berthold Jäger kann die Regelungen im Apotheken-Notdienst gar nicht verstehen: "Überall gibt es einen Pizza-Service, warum können Medikamente im Notfall nicht gebracht werden?" Gerd-Erich Loré vom Paritätischen Wohlfahrtsverband griff diese Anregung gern auf, um für seine Vorstellungen von Senioreneinrichtungen zu werben. Stationäre Einrichtungen seien auf dem besten Wege, sich zu "Intelligenz-Mittelpunkten" rund um die Pflege zu entwickeln. Es müsste doch möglich sein, dass Seniorenheime wie das in Thalfang, das ohnehin eine Vielzahl von Medikamenten vorhalte, im Notfall aushelfen könne. Das ist zwar derzeit noch Zukunftsmusik, aber der Abgeordnete Rösch versprach, sich dieses Problems anzunehmen. Den Begriff "Problem" hört der Heidenburger Ortsbürgermeister in diesem Kontext nicht so gern, er spricht eher von einer Situation, auf die man reagieren müsse. Jäger versteht die Veranstaltung als Auftakt für eine dauerhafte Auseinandersetzung mit der Frage, wie Jung und Alt in Heidenburg künftig zusammenleben können, frei nach dem Motto: "Alt werden, ohne alt auszusehen." Sein Appell: "Alter ist das, was wir draus machen. Packen wir‘s an."

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