Auf Schusters Rappen zum Studium

HEINZERATH. Erst als Ruheständler erfüllte sich Reinhold Gorges einen lang gehegten Wunsch: Er begann, Geschichte und Politologie zu studieren.

Reinhold Gorges ist 65 Jahre alt und Beamter im Ruhestand. Eine Biografie, die nach Ansicht des Heinzerathers nichts Besonderes aufzuweisen hat. Das mag bei Betrachtung allein dieser Fakten auch zutreffen. Doch gerade sein Lebensweg als Ruheständler dürfte viele Menschen mit ähnlichen Interessen faszinieren. Denn Gorges nahm seinen Abschied aus dem gehobenen Dienst der Hochschulverwaltung zum Anlass, ein Studium zu beginnen. Zum einen, weil er das schon immer wollte. Zum anderen, um die während des Berufslebens in der Großstadt aufgebauten Kontakte weiter zu pflegen. So kam es, dass sich der Diplomverwaltungswirt heute Zeit für ein Studium der mittleren und neueren Geschichte, einer schon immer gehegten Leidenschaft, sowie der Politologie nimmt. Vor allem die preußische Geschichte interessiert ihn, und da besonders Friedrich der Große und der große Kurfürst. Das Interesse begleitete ihn sein Leben lang. Der Grund dafür ist ein wenig skurril: "Mit 20 Jahren hatte ich eine Freundin in Berlin, die ich nicht besuchen konnte." Stattdessen befasste er sich intensiv mit der Geschichte der Stadt. In Frankfurt, wo er an der Johann Wolfgang Goethe Universität als ordentlicher Student eingeschrieben ist, sei das Seniorenstudium "nichts Ungewöhnliches", wie Gorges betont.90-Jähriger hat sogar promoviert

Schließlich gibt es dort sogar eine "Universität des dritten Lebensalters". Sogar ein 90-Jähriger hat in Frankfurt bereits in Germanistik promoviert. Für einen Heinzerather, der kein Auto hat, ein schwieriges Projekt. Die eingeschränkte Mobilität stellt für Gorges jedoch kein unüberwindliches Hindernis dar. Fährt er nicht mit einem Taxi zum nächsten Bus oder Zug, macht er sich zu Fuß auf den Weg - und das kilometerweit. Dabei führt ihn sein Weg oft an dem an der Römerstraße gelegenen "Heidenpütz" vorbei, einem Quellgebiet, dessen historische Bedeutung noch nicht vollständig erforscht ist. Das geschichtsträchtige Areal übt auf den Heinzerather von Kindheit an eine starke Anziehungskraft aus. Doch eigentlich fasziniert ihn die gesamte Landschaft seiner Heimat: "Das Zufußgehen ist für mich nicht nur ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen, sondern ein Genuss", erklärt er seinen Elan. Ganz nebenbei kommt der wanderfreudige Ruheständler auf diese Weise einem weiteren wesentlichen Wunsch näher: "Dass das Leben in Bewegung bleibt - geistig wie körperlich." Wohl deshalb hat der erklärte Stadtmensch auch nie die Brücken zu seinem Heimatort abgebrochen. Trotz der beruflichen Tätigkeit in Mainz, Düsseldorf und Frankfurt behielt er den ersten Wohnsitz immer in seinem Geburtsort Heinzerath, wo er auch seinen Urlaub verbrachte. "Ich fühle mich hier wohl, auch wenn ich mit Holz heizen muss", bringt er seine Einstellung zum Haus der Eltern, in dem er lebt, auf den Punkt.

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