Auf dem Drahtesel über die Pyrenäen

HUNDHEIM. Im Alter von 69 Jahren bewältigt Norbert Weber eine Radtour, vor der viele Jüngere zurückschrecken würden. Der Rentner fuhr in einem Monat 4111 Kilometer mit dem Fahrrad auf dem legendären Jakobspilgerpfad. Wegen einer Panne musste er lediglich einmal in einen Zug umsteigen.

Er ist drahtig, hat wache Augen und ist in einem Alter, wo es viele langsamer angehen lassen: der 69-jährige Norbert Weber aus Hundheim. Doch der ehemalige Straßenbaumeister, seit sieben Jahren im Ruhestand, setzt sich bis heute immer wieder neue Ziele. Er schreibt für die Zeitung der Seniorenakademie Kues und lernt dort Französisch. Der Senior will allerdings nicht nur geistig fit bleiben und tritt deshalb mit fast 70 Jahren noch kräftig in die Pedale.Im Schnitt 147 Kilometer am Tag

Wer ihn erzählen hört, glaubt es kaum: Norbert Weber fuhr mit seinem Fahrrad von Hundheim nach Santiago de Compostela und zurück - 4111 Kilometer in 28 Tagen auf dem bekannten Jakobsweg mit Tagesleistungen zwischen 104 und 280 Kilometern, im Schnitt 147 Kilometer am Tag. Ungläubige Blicke ist der gebürtige Hoxeler gewöhnt. Immer wieder wurde Weber, der stets allein unterwegs ist, auf dem Pilgerpfad und in den Herbergen gefragt: "Cuántos años?" Und immer wieder Kopfschütteln bei der Antwort auf die Frage nach dem Alter. Er trat in die Pedale von Hundheim über Metz, Troyes, Orléans, Bordeaux über die Pyrenäen nach Santiago de Compostela - immer mit 20 Kilogramm Gepäck hintendrauf, reduziert auf das Allernotwendigste. Gaskocher, Wäsche zum Wechseln und viel Wasser galt es zu transportieren. "Jeden Tag habe ich sechs bis sieben Liter Wasser getrunken." Das war auch nötig, um den Flüssigkeitsverlust bei den Strapazen auszugleichen. Und immer mit dabei: die Jakobsmuschel, die alle Wanderer und Radfahrer auf dem legendären Pilgerweg als Symbol bei sich tragen. Weite Teile der Strecke machten ihm Wind und Regen zu schaffen, einmal so sehr, dass er sein Tagessoll von rund 200 Kilometern nicht erfüllen konnte. 30 Kilometer vor Troyes sprach er eine Frau in einem Dorf an, ob sie nicht ein Zimmer für ihn habe. "Da war ich platt." Ab Bordeaux wurde es heiß. Deshalb hieß es früh losfahren. Denn: "Bis elf Uhr war es angenehm." Deshalb startete der Globetrotter bereit um 7 Uhr morgens. Vorher ging in Spanien nichts, weil es dort später hell wurde. In St. Jean Pied de Port, einem kleinen Ort vor den Pyrenäen, ist der offizielle Startpunkt des Pilgerwegs. Direkt im Anschluss waren mehr als 1200 Meter Höhenunterschied zu überwinden - an einem Tag. Als "sehr, sehr anstrengend" beschreibt es ein Reiseführer im Netz. Viele Radpilger würden hier aufgeben. Nicht so der zähe Hundheimer. "An die Strapazen habe ich nicht gedacht", beschreibt Weber sein Erfolgsgeheimnis. Stattdessen versuchte er, die Ausblicke zu genießen. In den Pyrenäen erlebte er im Zeitraffer den Weg durch die Jahrhunderte. Zunächst ein Atomkraftwerk und Windgeneratoren und einen Kilometer weiter ein Dorf, das noch so ausgesehen habe wie zur Römerzeit. Bei der Frage nach dem schönsten Erlebnis muss Weber nicht lange nachdenken: "Es war eine Wohltat, als ich ich zum ersten Mal die Türme der Kathedrale von Santiago de Compostela gesehen habe." Dort gönnte er sich zwei Tage, bevor er sich auf den Rückweg machte. Auch von Pannen blieb er nicht verschont: 260 Kilometer vor Metz ging nichts mehr. Das Hinterrad war kaputt. Er fand zwar ein Fahrradgeschäft, doch das hatte zu. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dem Zug nach Metz zu fahren. Die letzte Etappe nach Hundheim bewältigte Weber schließlich mit einem funkelnagelneuen Hinterrad. Natürlich hatte er sich gründlich auf die Tour vorbereitet, die Strecke ausgesucht und ein paar Brocken Spanisch gelernt. Doch auch seine Englisch- und Französisch-Kenntnisse hatten ihm weitergeholfen. Schließlich traf er auf der Strecke nicht nur Spanier, sondern auch Schweden, Norweger und Portugiesen. Sogar mit einem Brasilianer habe er mal ein Zimmer geteilt. War er im Vorfeld mal beim Arzt? "Mir fehlt nichts", meidet er verschmitzt eine konkrete Antwort. Natürlich müsse man für eine solche Tour gesund sein.Erste große Tour führte in die Normandie

Das Fahrradfahren war Weber nicht in die Wiege gelegt worden. Erst seit viereinhalb Jahren tritt er intensiv in die Pedale. Allerdings: Einen Heimtrainer hat er schon seit mehr als 20 Jahren. Damals sollte er wegen Rückenproblemen bereits einen Rentenantrag ausfüllen. Stattdessen kaufte er sich ein Trimmgerät. Seine erste große Tour machte er vor zwei Jahren in die Normandie. Der nächste Radurlaub führte nach London, wo seine Tochter wohnt. Start und Ziel war stets Hundheim. Fahrradgepäckträger, mit denen er seinen Drahtesel per Auto transportieren könnte, "die habe ich gar nicht". Und wohin geht‘s beim nächsten Mal? Da legt Weber sich nicht fest. "Jetzt muss ich erst einmal den Jakobsweg verarbeiten."

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