Aus Pest und Cholera das Beste machen

BERNKASTEL-WITTLICH. Die Landwirte sind nicht zu beneiden: Sie müssen in den kommenden Jahren die EU-Agrarreform (GAP) umsetzen. Auf einer Regionalveranstaltung brachten Experten des Bauern- und Winzerverbands mehr als 220 Zuhörer auf den neusten Stand.

Die Winzer sind bei der Reform außen vor, aber auf die Landwirte kommt neben dem hohen bürokratischen Aufwand eine fast unüberschaubare Zahl von Änderungen und Verordnungen zu. Die Entkopplung von Flächenprämie für Acker- und Grünland sowie dem betriebsindividuellen Teil, bestehend aus Milch- und Tierprämie, startet am 1. Januar 2005. Bis 2013 ist die Planungsperiode der Reform abgeschlossen, dann wird eine regional einheitliche Prämie pro Hektar bezahlt. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau (BWV) hatte nach Daun eingeladen, um über den aktuellen Stand zu informieren. BWV-Präsident Leo Blum nahm den Zuhörern aber gleich die Hoffnung, nach dem dreistündigen Vortrag alles zu wissen. "Die Agrarreform ist ein Thema, das uns in den nächsten Wochen und Monaten noch beschäftigen wird", sagte er. Karin Bothe, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des BWV, informierte über den Stand der Umsetzung der Agrarreform in Deutschland. Das Ziel der Reform sei die Schaffung eines gemeinsamen verbindlichen Systems für die Zahlung von Direktbeihilfen. Abweichend vom EU-Standardmodell hat sich Deutschland für ein Kombimodell entschieden, das in ein Regionalmodell übergeht, bei dem eine einheitliche Hektarprämie gezahlt wird, unabhängig davon, was darauf produziert wird. "Es soll keinen Anreiz mehr geben, viel zu produzieren", erklärt die Fachfrau und fährt fort: "Es geht nicht mehr um die Lebensmittelproduktion, sondern nur noch um den Erhalt der Kulturlandschaft." Bei dem Kombinationsmodell (gültig von 2005 bis 2009) differenzieren die Prämien noch nach Acker-, Stilllegungsfläche und Grünland, ergänzt durch den betriebsindividuellen Teil, bestehend aus Tier- und Milchprämie. Die Beihilfen werden jedoch nur gewährt, wenn alle Auflagen erfüllt werden. Während das GAP-Reform-Umsetzungsgesetz bereits im Bundesrat und -tag verabschiedet ist, sind die Betriebsprämien-Durchführungsverordnung und die Invesko-Verordnung noch in der Schwebe. Die "Cross-Compliance-Verordnung" (Überkreuzungsverpflichtung) gilt bereits. Die Verordnung soll dafür sorgen, dass der Landwirt Standards in den Bereichen Nahrungsmittelsicherheit, Umwelt- und Tierschutz einhält. Verstößt er dagegen, wird seine Prämie gekürzt. Geraune im Raum gab es besonders bei der Erläuterung der Erosionsvermeidung (ein Bestandteil der Cross Compliance). Die beinhaltet ab 1. Januar 2005 ein generelles Pflugverbot auf 40 Prozent der Flächen. Ausgenommen sind Flächen, die vor dem 1. Dezember eingesät wurden oder bei denen es sich um ein Gebiet von geringer Erosionsgefahr handelt. Karin Bothe: "Die Agrarreform ist sehr ideologisch geprägt. Sie berücksichtigt überhaupt nicht pflanzenrelevante Aspekte. Wir wollen Ihnen helfen, aus Pest und Cholera das Beste zu machen." Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Beschlüsse sprach Melanie Westerschulte vom BWV. Die Beihilfen werden sich zukünftig aus einer Flächenprämie, einem Sockelbetrag und einem betriebsindividuellen Teil errechnen. Erst ab 2013 erhalte jeder Landwirt die gleiche Prämie, egal was er auf der Fläche produziere. Da die Berechnung der zu erwartenden Prämien sehr kompliziert sei, bot sie die Hilfe des Bauernverbands an. Enorm wichtig sei es, den Antrag auf Zuteilung der Beihilfe bis zum 15. Mai 2005 bei der zuständigen Behörde einzureichen. Abschließend beurteilte Karin Bothe die Agrarreform so: "Im Mittelpunkt stehen nicht mehr der Landwirt und die Produktion, es geht jetzt ans Eingemachte." Die Befürworter des Systems behaupteten, dass es viele Aussteiger geben werde und sich der Markt dadurch erhole. "Deutschland ist keine Insel. Es gibt genügend andere, die die Produktionsanteile auffüllen", warnte sie. Nächste Veranstaltung: Montag, 8. November, 10 bis 13 Uhr, Eifelstern in Bitburg.

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