Bauern drängten oft auf den Tod der "Hexen"

Zu den dunkelsten Kapiteln der Kriminalgeschichte zählt die Verfolgung von Männern und Frauen, die man der Hexerei bezichtigte. Ende des 16. Jahrhunderts erreichte der Hexenwahn auch das Hochgericht Rhaunen. Allein 1593/94 stellte man neun namentlich genannte Personen vor Gericht. Erst 40 Jahre später hörten die Prozesse auf.

Rhaunen. (ez) Als 1593 die Hexenverfolgung im Erzstift Trier ihren Höhepunkt erreichte, kam es auch zu Verfahren gegen Einwohner des Hochgerichts Rhaunen. Weil hier neben den Wild- und Rheingrafen von Dhaun auch der Trierer Erzbischof an der Landesherrschaft beteiligt war, fand ein Teil der Prozesse auf Schloss Dhaun im Nahegraben, der andere auf der kurtrierischen Schmidtburg bei Bundenbach statt.

Zu einer ersten Gruppe von Delinquenten, die 1593 in Dhaun vor Gericht stand, gehörten Schultheißen Gertrud und Kettgen Bart. Anlass für ihre Verhaftung war die Aussage einer dritten Angeklagten, Abrahams Gertraud. Sie hatte die beiden unter Folter als ihre Hexenmeisterinnen benannt. Die Beschuldigten wurden daraufhin "gütlich" befragt: Man führte sie ans Folterseil, um sie zum Reden zu bringen. Als sie weiter schwiegen, schritt man zur Folter. In ihrer Not behaupteten die Frauen nun, ein Verhältnis mit dem Teufel angefangen zu haben. Dieser habe ihnen ein Giftpulver gegeben, mit dem sie ihre eigenen Kinder und die anderer Leute vergiftet hätten.

Da es sich um besonders schwere Vergehen handelte, forderte der als Gutachter hinzugezogene Kreuznacher Jurist Matthias Kling die härteste Bestrafung: Die beiden Frauen sollten nicht wie üblich vor der Verbrennung erdrosselt, sondern lebendig verbrannt werden. Laut dem noch erhaltenen Endurteil wurden Schultheißen Gertrud und Kettgen Bart "mitt dem feuer vom leben zum thode" gerichtet. Zudem mussten sie alle Kosten des Verfahrens tragen. Abrahams Gertraud, deren Ehemann bereits wegen Hexerei verbrannt worden war, hatte keine Verbrechen gestanden. In ihrem Fall empfahl Kling die Landesverweisung.

Bei der ersten Prozesswelle hatte auch Greta Faust aus Rhaunen vor Gericht gestanden, war aber nach einem ergebnislosen gütlichen Verhör entlassen worden. Im Dezember 1593 wurde sie erneut verhaftet, weil einige Frauen, die schon hingerichtet worden waren, sie denunziert hatten. Außerdem kamen Gretchen Schneider aus Rhaunen und Else Fluer aus Weitersbach in Haft. Angesichts der dünnen Beweislage lehnte der neue Gutachter jedoch die Folter ab, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Am 2. Januar 1594 übergaben die Bauern des Kirchspiels Rhaunen dem Wild- und Rheingrafen Adolph Heinrich von Dhaun eine Bittschrift. Darin forderten sie die Verbrennung aller drei Beschuldigten. Kämen die Frauen frei, wollten sie diese eigenhändig erschlagen, weil sie für die Miss ernten der Vorjahre verantwortlich seien.

Der Fall zeigt, dass die Initiative zu den Prozessen oft nicht von den Wild- und Rheingrafen, sondern von der Bevölkerung ausging. Die Menschen litten unter den Folgen der damaligen Klimaveränderung, der "Kleinen Eiszeit", und gaben den "Hexen" die Schuld an den Ernteausfällen und den damit einhergehenden, oft tödlichen Mangelerkrankungen bei Mensch und Vieh. Obwohl die Frauen mehrmals mit einem zentnerschweren Gewicht aufgezogen und eine Stunde lang gefoltert wurden, legten sie kein Geständnis ab. Ohne Schuldeingeständnis eines Verdächtigen war aber nach der sogenannten Peinlichen Halsgerichtsordnung eine Verurteilung unmöglich.

Über den Prozessausgang ist nichts bekannt. Vermutlich wurden Gretchen Schneider und Else Fluer nach standhaft ertragener dreifacher Folter aus Mangel an Beweisen freigelassen und nicht, wie es in der älteren Literatur aufgrund eines Lesefehlers heißt, verbrannt. Das gleiche gilt für Greta Faust, die man des Landes verweisen wollte, falls es unter den Bauern zu Unruhen käme.

1593 gab es auch auf der Schmidtburg zwei Verfahren wegen Hexerei: Die "alte Lieberß" und die Ehefrau von Niclaß Bart aus Rhaunen wurden verhört und wieder freigelassen. 1607 war von ihnen "eine noch bei leben". Wie viele Prozesse es gegen Beschuldigte aus dem Hochgericht Rhaunen insgesamt gegeben hat, ist unbekannt. Weitere Verfahren werden 1599, 1607 und 1611 erwähnt. Der wohl letzte Prozess fand 1632 auf der Schmidtburg statt: Jacob Noll aus Sulzbach zahlte "wegen seiner Frawen so Hexereylasters halben gefenglich geseßen vor Zehrung 7 Gulden 7 1/2 Batzen". Da keine Hinrichtungskosten erwähnt werden, könnte sie mit dem Leben davon gekommen sein.

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