Beschwingend wie vor 60 Jahren

M orbach . Mehr als 180 Tage im Jahr ist das Glenn Miller Orchestra auf Tournee. Einen dieser Tage verbrachte es unter der Leitung von Wil Salden in Morbach und vermittelte dem Publikum seinen großen Respekt vor seinem Namensgeber.

Hoher Besuch in der Morbacher Baldenauhalle. Zu Gast: Wil Salden und das von ihm geleitete "Glenn Miller Orchestra". Mit ihm und seinen insgesamt 16 Musikern war einer der ganz Großen in der Musikgeschichte Gast im Hunsrück: Alton Glenn Miller, 1944 im Alter von nur 40 Jahren verstorbener Bandleader, dem es vergönnt war, einen ganz eigenen, unverwechselbaren Sound zu kreieren, der bis heute einzigartig ist.Zufall sorgte für legendären Sound

Was, wie es die Legende will, durch einen Zufall entstand, ist bis in unsere Tage ein Markenzeichen für einen ganz speziellen Bigband-Sound. Es ist zu lesen, dass sich bei einem Auftritt des ursprünglichen Miller-Orchestras der Trompeter an der Lippe verletzte und nicht mehr spielen konnte. Kurzerhand übergab Miller der Klarinette den Part und sollte von dieser Besetzungsänderung nicht mehr abweichen.Miller ist schon fast 39 Jahre tot, aber seine Musik und das damit verbundene Lebensgefühl, das sie vermittelt, leben weiter. Ununterbrochen in den Vereinigten Staaten und auch im alten Europa hat sie nie an ihrer Attraktivität verloren. Zu verdanken ist das auch und nicht zuletzt dem 1950 geborenen Niederländer Salden, der sich schon sehr früh mit dem Swing-Idol Miller beschäftigte. 1990 erhielt er gewissermaßen den Ritterschlag, in dem er offiziell von der Glenn Miller Productions Inc. zum Leiter des europäischen Glenn Miller Orchestras ernannt wurde. Was er und sein Ensemble auf der Bühne präsentieren, ist weniger ihr Können. Dass dies vorhanden ist, davon kann man ausgehen. Schließlich handelt es sich um eine Profimannschaft, die tagein, tagaus nichts anderes tun, als zusammen zu musizieren. Nein - vom ersten Ton an vermitteln sie einen großen Respekt vor dem Namensgeber ihrer Band. Salden macht erst gar nicht den Fehler, auf der Suche nach Verbesserungen zu experimentieren. Dabei hält er sich an die alte holländische Weisheit: "Was gut ist, muss man nicht versuchen, besser zu machen."Nun besteht natürlich immer die Gefahr, im Respekt zu erstarren, wodurch die Musik sehr schnell ihre Lebendigkeit verlieren würde. Aber gerade das ist bei Salden nicht der Fall. Was er abliefert, klingt so lebendig, als wäre es gerade erst aufgeschrieben. Natürlich sind die humorvollen Bewegungseinlagen, das Spiel mit den Dämpfern, die auf einmal zur Kopfbedeckung werden, einstudiert. Aber sie kommen so locker zum Publikum herüber, als wäre das ganze in diesem Moment aus der Situation, aus der Begeisterung für die Musik heraus geboren.Schlicht und gradlinig

So schlicht und geradlinig, wie die Orchestermitglieder agieren, waren auch die vokalen Einlagen von Mariske Hekkenberg, der einzigen Frau im Ensemble. Kein gekünsteltes Getue, kein sich in den Vordergrund schieben. Ein Orchestermitglied, das mit seiner Stimme den Sound abrundet.Einzig betrüblich am Morbacher Konzert war ein Blick in den Zuschauerraum, wo noch etliche Plätze frei waren. Knapp 250 Zuschauer hatten den Weg in die Baldenauhalle gefunden. Zählt handwerklich sauber gemachte Musik, die nicht von gigantischen Lautsprechern übertragen wird (was Salden an Boxen benutzte, würde in jedes Wohnzimmer passen) zu wenig? Hier haben viele Musikfreunde die Gelegenheit verpasst, nicht nur gute Musiker zu erleben, sondern sich in eine Atmosphäre versetzen zu lassen, die heute noch genauso beschwingen kann wie vor 60 Jahren.

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