Brunnen, Kreuz und Tabakernte

HUNSRÜCK. Er war ein bekannter Künstler aus der Bildhauerei Mettler in Morbach. Doch wohl kaum einer weiß heute, wie viele Werke von Klaus Rothe in der Region zu sehen sind. Der Bildhauer aus Oberschlesien ist seit 25 Jahren tot.

Klaus Rothe starb am 4. Mai 1979 im Alter von 66 Jahren. Sein 25. Todestag verstrich in Morbach unbemerkt. Lediglich ein Brunnen aus der Werkstatt des Künstlers sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Gesprächsstoff. Im Zusammenhang mit dem Bau der "Neuen Mitte" musste er weichen. Jahrelang hatte man in Morbach nach einem neuen Standort gesucht. Mittlerweile steht er in unmittelbarer Nachbarschaft zur St.-Anna-Kirche. Im kommenden Jahr soll er eingeweiht werden.Besser hätte der neue Standort nicht gewählt werden können. Davon ist die 92-jährige Witwe Irmgard Rothe überzeugt, die bis heute in Morbach wohnt. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft zum Brunnen begeht die Gemeinde Morbach in jedem Jahr den Volkstrauertag am Morbacher Ehrenmal, das teilweise vom selben Künstler geschaffen wurde. Das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs stammt vom Bildhauer Verhoff, während die vier jüngeren Würfel, die die Namen der Toten aus dem Zweiten Weltkrieg tragen, 1967 von Rothe erstellt wurden.Wandbild zeigt die Morbacher Tabakernte

Wer genau hinschaut, kann in Morbach noch mehr Spuren des Künstlers finden - zum Beispiel an Häuserwänden. In der Birkenfelder Straße ist beispielsweise ein weiterer "echter Rothe" zu sehen. Denn er arbeitete nicht nur mit den Materialien Holz, Metall und Stein. Das Wandbild in Kratzputztechnik - die Fachleute nennen es Sgraffito - zeigt Menschen bei der Tabakernte und erinnert an ein ehemaliges Produkt "made in Morbach": den "Morbacher Strolles". Heimatforscher Stefan Kritten aus Annenberg weiß von erheblich mehr Werken Rothes in der Region. Da ist der Thalfanger Dorfbrunnen mit den sieben Schalen und das Ehrenmal "Auf Schorsch", ebenfalls im Nachbarort. Zwei Türen an der kleinen Dorfkirche in Deuselbach verraten ebenfalls die Handschrift des gelernten Holzbildhauers.Auch Kreuzwege gehören zu Rothes Projekten. Fündig werden Interessierte beispielsweise in der Malborner Kirche, wo ein 14-teiliges Relief "von der Kreativität und Schaffenskraft Rothes zeugt", schildert Kritten in der Heimatzeitschrift "Die Hott", Nr. 34.Noch mehr beeindruckte den Lehrer ein Kreuzweg aus Holz in Kell am See. Dort habe der Künstler sehr reduziert gearbeitet. An der zehnten Station des Kreuzweges, so erinnert sich Kritten im Gespräch mit dem TV , an der Jesus entkleidet wird, sehe man lediglich ein paar Falten eines Gewandes und Würfel. Ein Hinweis darauf, dass um die Bekleidung des später Gekreuzigten gewürfelt worden war. Dieses Werk "fällt absolut aus dem Rahmen", sagt Kritten.Im Saarland sehr gefragt

Von Rothe, der auch zahlreiche Aufträge im Saarland - vor allem in Reinheim und in Medelsheim - ausführte, stammen auch zahllose Hausembleme, Grabsteine, Wegkreuze und Weihnachtskrippen im hiesigen Raum.Bei Bildhauerarbeiten in der Region lohnt es sich also stets, darauf zu achten, ob irgendwo an unauffälliger Stelle das Initial "R" zu lesen ist. Denn dann stammt es mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Werkstatt Rothes. Der Umkehrschluss ist übrigens nicht erlaubt. Denn Rothe hat nach Auskunft der Witwe als Angestellter der Bildhauerei Mettler - erst 1955 machte er sich selbstständig - seine Werke nicht signieren dürfen.Kritten, der sich auch mit anderen Künstlern der Region intensiv befasst hat, ist überzeugt, dass das Werk Rothes mehr Würdigung verdient hätte. Sinnvoll sei es, einen kompletten Werks-Katalog zu erstellen. Irgendwann sind sonst die Spuren zu den Kreationen des Künstlers verwischt.

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