Der Baum der Erinnerung

ERSCHBACH. (urs) 61 Jahre ist es her, dass sich Gerhard Junk im Wald vor dem Volkssturm versteckte. Doch die Ereignisse hat er noch wie damals vor Augen.

Plötzlich sind sie wieder da, die Erinnerungen an die Tage der Angst, die Gerhard Junk vor 61 Jahren als 16-Jähriger erlebte. Bei einem Streifzug rund um seinen Heimatort Merschbach hat der heute 78-Jährige, der seit den 50er Jahren im Saarland lebt, Spuren von Ereignissen wieder entdeckt, die jahrzehntelang tief in seinem Innern schlummerten. Doch die Rinde eines Baumes dokumentiert das Geschehen wenige Tage vor der deutschen Kapitulation so, als sei dies alles erst gestern geschehen: "Volkssturm 1945" ist da zu lesen und darunter die Buchstaben "PH PK JA KG NJ GJ". "Wir waren leichtsinnig"

Die Initialen, die Merschbacher dort hinterlassen haben, stehen laut Junk für Peter Huwer, Paul Klären, Josef Alt, Konrad Gauer sowie seinen Vater Nikolaus Junk und ihn selbst. Was die Dorfbewohner im Alter von 16 bis 60 Jahren veranlasste, sich zwischen dem 9. und 15. März 1945 in diesem Baum zu verewigen, ist eine Geschichte, wie sie damals auch andere erlebten. Wenn auch nicht immer mit dem gleichen glücklichen Ausgang. Denn die Sechs versteckten sich im Wald, statt sich wie befohlen dem Volkssturm anzuschließen. Zuerst schienen sie noch gewillt, sich Hitlers letztem Aufgebot anzuschließen. "Wir sollten uns in Thalfang melden", hat Junk noch die anfangs größere Gruppe vor Augen, die sich später teilte. Doch kurz nach Berglicht, etwa auf der Höhe von Gielert, seien sie dann im Haardtwald nach links zurück in Richtung Merschbach abgeschwenkt. Was nicht ungefährlich war - galten sie doch von da an als zum Tode verurteilte Deserteure. "Wir waren leichtsinnig", ist sich Junk heute der Gefahr bewusst, in der er und die anderen schwebten. Doch damals, als er gerade zwei Tage zuvor aus einem Ausbildungslager im Westerwald zurück gekehrt war, hatte es für ihn kein Zögern gegeben. Die Szene im Wald ist ihm bis heute in Erinnerung: "Da war so ein schönes Waldstück, und die Sonne schien so schön und man wollte gern heim und durfte nicht." Nach mehreren Standortwechseln sahen sie dann irgendwann die Panzer der Amerikaner anrücken: "Da waren wir frei", sagt Junk. Er ist sich sicher, dass dieser Tag ein Montag war. Die Erinnerung an diese Zeit hat der 78-Jährige all die Jahre "ganz beiseite gelegt". Doch als er nun als einziger noch Lebender der Gruppe an dem Baum war, war alles wieder präsent: "Ich war den Tränen nahe."

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