Dicke Luft im Gemeinderat

Thalfang · Heftiger Schlagabtausch in Thalfang: Einige Bürger wollen die Fusion mit Morbach vereiteln. Da macht Ratsmitglied Werner Breit eine überraschende und bittere Rechnung auf.

 In Thalfang gehen die Meinungen über die Kommunalreform auseinander. TV-Foto: Klaus Kimmling

In Thalfang gehen die Meinungen über die Kommunalreform auseinander. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling (Kik) ("TV-Upload Kimmling"

Thalfang Die Stimmung in der Sitzung des Thalfanger Ortsgemeinderates am Montagabend ist angespannt. Auf der Tagesordnung steht ein Einwohnerantrag gemäß Paragraf 17 der Gemeindeordnung, der am 2. Dezember 2016 eingereicht wurde. Sein Inhalt: die Forderung nach dem Erhalt der Selbstständigkeit der Ortsgemeinde Thalfang. Er steht damit im Widerspruch zum einstimmigen Beschluss des Gemeinderates vom Oktober 2016, mit der Einheitsgemeinde Morbach Verhandlungen über eine Fusion aufzunehmen. Nach der rechtlichen Prüfung des Antrags können die Unterzeichner in dieser Sitzung ihre Begründung mündlich vortragen. Anschließend muss der Gemeinderat über den Antrag beschließen. Ortsbürgermeister Burkhard Graul erteilt Silvia Pfeiffer von der Bürgergruppe das Wort. "Warum ein Einwohnerantrag", sagt Pfeiffer und erläutert: "Solange ich denken kann, bin ich eine reinrassige Thalfangerin. Die Mark Thalfang wurde immer groß geschrieben. Sie war immer selbstständig. Dass Thalfang sich als Ortsbezirk von Morbach wiederfinden soll, ist für mich gewohnheitsbedürftig. Die Nachricht von der Fusion war für mich ein Schock. Hunderte Jahre Selbstständigkeit sollen aufgegeben werden!" Ein Zuhörer von den zwölf anwesenden Bürgern ruft laut dazwischen. Burkhard Graul erteilt ihm einen Saalverweis. Nach der Begründung diskutiert der Rat über das Thema. Graul verliest noch einmal die drei Eckpunkte der schriftlichen Begründung: den Erhalt von Haushalt, Schulzentrum und Wald.Dagegen spreche aber der Beschluss des Gemeinderates, mit Morbach Gespräche aufzunehmen. "Eine rechtliche Selbstständigkeit Thalfangs hat es nie gegeben. Rathaus, Schwimmbad und Realschule plus gehören der Verbandsgemeinde, nicht der Ortsgemeinde", stellt Graul klar. Auch werde der Wald im Fall einer Fusion nicht an Morbach übertragen. Werner Breit (FDP) stellt sich ebenfalls hinter den Beschluss, mit Morbach zu fusionieren und macht eine überraschende Rechnung auf: "Im Einwohnerantrag kommt das faktisch einer Enteignung gleich. Aber rechnen wir mal: Morbach hat 3000 Hektar Kommunalwald, das macht pro Einwohner 2800 Quadratmeter Wald. Thalfang besitzt 90 Hektar Wald und einen Anteil von 24,4 Prozent am Haardtwald, 82 Hektar. Macht zusammen 172 Hektar. Jeder Einwohner hat demnach 895 Quadratmeter Wald. Wenn die Ortsgemeinde Thalfang und Morbach zusammengehen, sind das 3170 Hektar verteilt auf 12 200 Einwohner. Jeder hätte dann 2516 Quadratmeter Wald. Wo ist da eine Enteignung?"Werner Breit rechnet weiter und nimmt sich die Schulden der Ortsgemeinde vor: "Morbach hat 6,5 Millionen Euro Investitionskredite pro Einwohner. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung von 607 Euro. Die Ortsgemeinde Thalfang hat 5,7 Millionen Euro Kredite, davon aber zur Hälfte Liquiditätskredite, um Zinsen für Schulden zu bezahlen plus den Anteil an den Schulden der Verbandsgemeinde sind das 12,2 Millionen Euro. Macht pro Einwohner 6422 Euro." Wenn man das zusammenlege, dann betragen die Schulden aber nur noch 1484 Euro pro Einwohner. Karl-Heinz Koch (CDU) bekräftigt: "Wir wollen mit Morbach eine neue verbandsfreie Gemeinde gründen. Ich finde es schade, dass Fakten verdreht werden. Wenn wir nach Hermeskeil kommen, dann machen die unser Schwimmbad direkt zu!" Rolf Brück (SPD) sagt: "Wir geben nichts ab, wir gewinnen. Unser Handlungsspielraum ist sehr gering, daher gibt es keine Selbstständigkeit." Und Stefan Brück von der Thalfanger Freien Liste setzt nach: "Wir wären doch mit dem Klammersack gepudert, wenn wir die Chance Morbach nicht nutzen würden. Morbach sind die einzigen, die auf Augenhöhe mit uns verhandeln." Vera Höfner (CDU) stößt sich indes am Begriff "reinrassig": "Den Begriff finde ich sehr kritisch. Hier geht es darum, Stimmung zu machen, Emotionen zu schüren." Udo Pfeiffer von der Bürgergruppe entschuldigt das: "Der Begriff war nicht so gemeint gewesen, ich und meine Frau engagieren uns in der Flüchtlingshilfe. Wir wollen, dass die Selbstständigkeit erhalten bleibt. Unsere Urgroßväter haben dafür gekämpft. Das darf nicht alles nur an Zahlen festgemacht werden." Das Gremium lehnt den Einwohnerantrag bei einer Enthaltung einstimmig ab. Die Bürgergruppe um Silvia Pfeiffer gibt aber nicht auf. Vergangene Woche übergab sie Ortsbürgermeister Burkhard Graul ein Bürgerbegehren nach Paragraf 17a der Gemeindeordnung. Dieses steht rechtlich über einem Einwohnerantrag und kann, vorausgesetzt es kommen genug Stimmen zusammen, einen Gemeinderatsbeschluss außer Kraft setzen (der TV berichtete am 20. Februar).KommentarMeinung

Wie viel Bürgerentscheid muss sein?Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Es gilt in erster Linie der Beschluss der - gewählten - Gremien. Der Thalfanger Rat hat beschlossen. Sogar einstimmig. Da das Thema bei manchen sehr emotional aufgenommen wird, bietet sich allerdings eine vorgeschaltete Bürgerbefragung durchaus an. Sie ist aber kein Muss. Manche Gemeinden machen sie (Beispiel Horath), andere nicht. Und damit kommt die Kommunalreform in Schieflage. Weder der Thalfanger, noch der Morbacher Gemeinderat sind die Urheber der Kommunalreform. Die Mainzer Landesregierung ist der Urheber. Sie hätte bereits viel früher einen Rahmen stecken sollen. Sie hätte zum Beispiel allen Gemeinden eine vorgeschaltete Bürgerbefragung empfehlen können, anstatt diese Gremien sich selbst zu überlassen. Den Ärger und die Wut mancher Bürger bekommen nun die Ratsmitglieder vor Ort zu spüren, während die Landesregierung fein raus ist. hp.linz@volksfreund.de

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