Die Vielfalt wagen

THALFANG. (urs) Toleranz in der Begegnung von Kulturen und Religionen stößt im Alltag schnell an Grenzen. Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in Thalfang sehen jedoch Chancen, diese zu überwinden.

Wie weit geht Toleranz? Was, wenn sich Neubürger im Supermarkt in fremder Sprache unterhalten oder Ehrenmorde Ängste schüren? Und wie sieht es außerhalb von Europa aus mit Aufklärung, die mancher gern für sich verbucht, aber einer ihm fremden Kultur kaum zugesteht. Sollte die Welt wirklich auf einen "Kampf der Kulturen" zusteuern, wie es Samuel Huntington im gleichnamigen Werk thematisiert? Antworten darauf haben die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im evangelischen Gemeindehaus Thalfang gesucht. Mit dabei: Der evangelische Pastor Winfrid Krause, sein katholischer Kollege Dieter-Franz Koster sowie Albert Klein, Rektor St. Martinus-Förderschule Reinsfeld. Außerdem Uni-Dozent Dr. Hamid Reza Yousefi, ein Buddhist, mit schiitisch-moslemischem Vater und evangelischer Mutter. Als Moderator fungierte Neunkirchens Gemeindechef Richard Pestemer. Ziel der Debatte war, Ansätze für ein Miteinander zu finden. Die Frage sei doch, so Klein, der auf die "Wertschätzung des Anderen" setzt: "Wie kann es gelingen, die Dinge, die gleich sind, durchzusetzen und weg zu kommen von Gewalt?" Für Pfarrer Koster setzt dies voraus, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es gehe aber nicht nur um die "Freiheit von", sondern auch um "Freiheit wozu": "Und das scheint uns ja hier im Westen ein bisschen verloren gegangen zu sein." Laut Yousefi scheint "unsere Gesellschaft aber so konzipiert, dass ein Dialog nach außen nicht gewollt ist." Cola und Döner kommunizierten besser als Kulturen. Doch sei es wichtig, "Gemeinsamkeiten hervor zu heben und nicht Differenzen". Was für Pastor Krause jedoch aufeinander prallende Ansichten erschweren: "Sie finden keine Religion, die keine Wahrheitsansprüche hat." Entscheidend sei, ob Konflikte friedlich oder mit Gewalt ausgetragen würden. Konfliktstoff sehen auch die Gäste. Johannes Schneider von der "Vereinigung Bürger für Bürger" (VBB) etwa, sobald sich Religion mit Macht paare: "Religionen sollten sich von staatlicher Macht fern halten." Heide Weidemann (VBB) fragt sich daher, warum die Kirche einer Partei erlaube, ihren Namen zu tragen. Stadtplaner Hubert Schu sah den "Feind" im Machtstreben und in der "industrialisierten, verwahrlosten, mechanisierten Gesellschaft". Wenn sich in Städten Ghettos bildeten, seien nicht Religionen verantwortlich, sondern die räumliche Trennung etwa von Kultur und Industrie. Er setzt jedoch auf ein Miteinander der Kulturen: "Wir sollten versuchen, diese Vielfalt zu wagen." Hilfreich, in den Dialog zu kommen, ist laut Jürgen Adam, Deuselbach, "die Kritiker im eigenen Lager zu lesen". Sozialpädagogin Dorothea Müller fände sogar Intoleranz sinnvoll - und zwar dem eigenen Lager gegenüber. "Hetze" beginne ja bereits in der Presse, wenn die eigene "tolle Demokratie" über die Strukturen anderer Länder gestellt werde, bedauert Ina Braun aus Trier. Dabei brauche Deutschland die Einwanderer. In jedem Fall müsse Schluss sein mit gegenseitigem Aufrechnen, fordert der Thalfanger Karl Molter. Was tatsächlich zu den "künstlichen Konflikten" führe, sei doch die Instrumentalisierung durch Politik und Wirtschaft.

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