Die alten Hunde vom Hahn

HAHN. Heute feiert der Hunsrück-Flughafen sein 50-jähriges Bestehen. Ein anderes, ganz persönliches Jubiläum feiert Hahn-Mitarbeiter André Jost. Seit knapp 30 Jahren arbeitet er auf der ehemaligen Airbase.

"Yes" und "No". Das waren die einzigen Wörter, die André Jost auf englisch sagen konnte, als er im Mai 1974 auf der Airbase Hahn anfing. Mittlerweile blickt der 48-jährige Hunsrücker fast auf drei Jahrzehnte auf dem Flughafen zurück. "Obwohl ich gelernter Sanitärinstallateur bin, fing ich auf dem Hahn als Flugzeugreifenmonteur an", erinnert sich Jost. Diese Arbeit machte er allerdings nur einen Monat, dann wurde eine Stelle in der Klempner-Werkstatt - dem so genannten Plumbing-Shop - frei, die Jost dann auch bekam. Mit vier Deutschen und acht Amerikanern arbeitete er in einer Werkstatt zusammen. Mit einem Schlag musste er mehr drauf haben als "Yes" und "No". "Das war aber kein Problem. Das hab' ich fast von selbst gelernt."Von "Yes" und "No" zum Englischtest mit "gut" Zwei Jahre später als Mitglied des "Family-Service", einem Hausmeister-Team in der Housing, war er in der englischen Sprache so fit, dass er sich problemlos mit den Hausbewohnern unterhalten konnte. Zehn Jahre später stand der nächste Wechsel an. Jost wurde zum "Shopleader", zum Werkstattleiter, befördert. "Den Englischtest, den ich dafür nachweisen musste, habe ich mit gut bestanden", erzählt Jost und schmunzelt. In seiner Werkstatt arbeitete er mit drei Deutschen und 15 Amerikanern. Nach seinem Verhältnis zu den Amerikanern gefragt, bekommt Jost leuchtende Augen. "Ich hatte viele amerikanische Freunde", erzählt er. "Wir haben viel zusammen gefeiert, und sogar zu meiner Hochzeit hatte ich einige eingeladen." Doch viele US-Soldaten waren nur für zwei Jahre im Hunsrück stationiert. "Da war es schwierig Freundschaften auszubauen, denn bald hieß es wieder ,bye bye', und schon waren sie wieder ,over the ocean.'" Einen sehr engen amerikanischen Freund hatte er dennoch: Joe. "Der war fünf oder sechs Jahre auf dem Hahn. Als er damals weg ging, haben wir alle geweint." Vor vier Jahren - Joe war mittlerweile seit sieben Jahren fort - klingelte es bei ihm zu Hause an der Tür, und Joe stand da. Viele amerikanische Soldaten hatten bei ihrer Ankunft eine Menge Vorurteile über die Deutschen im Gepäck. "Eines Tages sah ich ein paar Soldaten rumlaufen, die ganz offensichtlich etwas suchten. Als ich sie fragte, erzählten sie, dass sie Plumpsklos suchen. In Amerika erzählte man sich, dass es in Deutschland nur Toiletten vor der Tür gebe." Auch ein weiteres Vorurteil konnte Jost aus den Köpfen einiger Amerikaner löschen. "Da wurde ich tatsächlich gefragt, wo die Menschen seien, die Hüte mit Hörnern tragen. Die hielten wohl nach den Hunnen Ausschau." "Manchmal wünsche ich mir, die Amerikaner wären wieder hier. Die hatten zwar eine andere Mentalität, aber man konnte sich immer auf sie verlassen." Dann stand der Abzug der Amerikaner bevor. "Obwohl uns im Frühjahr 1992 noch gesagt wurde, ,the Hahn will never close' (der Hahn wird niemals schließen), bekamen wir am 6. Dezember 1992 die Entlassung." Die Zeit von André Jost auf dem Hahn schien vorbei zu sein. Er hatte schon die feste Zusage für eine Stelle als Installateur in einem anderen Betrieb, als sich plötzlich für ihn die Möglichkeit ergab, auf seinem geliebten Flugplatz zu bleiben. Am 30. Juni 1993 arbeitete er noch für die Amerikaner und am nächsten Tag bereits für die Energie- und Betreibergesellschaft Hahn. Mit zwölf Kollegen bildete er die Abteilung "Ver- und Entsorgung". Sie sind die dienstälteste Mannschaft auf dem neuen Hahn. "Wir sind die alten Hunde von Hahn", bringt es Jost auf den Punkt. Erst Airbase, dann Geisterstadt

Doch dort wo früher Leben war, wo Rock'n'Roll-Musik lief und Barbecue-Partys gefeiert wurden, herrschte auf einmal Totenstille. "Vor allem, wenn ich nachts Bereitschaft hatte und in die ehemalige Housing musste, merkte ich, wie gespenstisch das war." Auf dem Hahn hat sich inzwischen viel getan. "Viele Gebäude, die für mich einen Erinnerungswert hatten, sind abgerissen worden." Und auch die Kläranlage, für die Jost seit dem Weggang der US-Streitkräfte mitverantwortlich war, wurde vor einem Jahr stillgelegt. Mittlerweile läuft ein Großteil der Entsorgung über die Kläranlage in Dill. Damit hat sich das Aufgabengebiet von André Jost und seinen Kollegen wieder verändert. Nun sind sie für alles von der kaputten Toilettenbrille im Terminal bis zu den Feuerlöschanlagen zuständig. Obwohl Jost seit knapp 30 Jahren auf dem Hahn arbeitet, hat er es nicht mit dem Fliegen. "Ich arbeite gerne hier auf dem Flughafen, aber mit meinen Füßen bleibe ich lieber auf dem Boden."

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