Ein Eisenbahnwaggon geht in die Luft

HAHN. (red) Ein seltenes Relikt der Vergangenheit wurde am Mittwoch am Flughafen Frankfurt-Hahn abgefertigt: Ein elf Tonnen schwerer Eisenbahnwaggon aus dem Zweiten Weltkrieg, der zur Deportation Tausender Juden diente, wurde in eine Antonov AN124 der Polet Cargo Airlines verladen. Sie bringt die geschichtsträchtige Fracht nach Houston/Texas, wo sie im "Holocaust Museum Houston" ausgestellt wird.

Am 5. März 2006 feiert das "Holocaust Museum Houston" sein zehnjähriges Bestehen. Bis zur Enthüllung anlässlich dieses Jubiläums wird der Eisenbahnwaggon sicher gelagert. Zur Jubiläumsfeier im März werden neben dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und namhaften Politikern etwa 300 Überlebende des Holocausts, die in der Region Houston leben, und mehr als 2000 Gäste erwartet.Waggon als Ersatzteillager genutzt

Der Eisenbahnwaggon wurde in der kleinen Stadt Blankenburg, in der Nähe von Wernigerode, gefunden, wo er von einem deutschen Eisenbahnverein zur Lagerung verschiedener Zugersatzteile genutzt wurde. Der Waggon wurde für das Museum vom weltweit bekannten Historiker Alfred Gottwaldt und Senior-Museumsdirektor für Eisenbahnen des Deutschen Technikmuseums Berlin begutachtet. Gottwaldt dokumentierte, dass der Eisenbahnwagen im Jahre 1942 für die Deutsche Reichsbahn, nach dem "Oppeln"-Modell und dem "runden Dach"-Stil gebaut wurde. Die Bauplakette, die während der Restaurationsarbeiten an dem Modell erst im November diesen Jahres entdeckt wurde, trug die Beschriftung: "Gottfried Lindner Aktiengesellschaft, Ammendorf bei Halle" und zeigte die "Arbeitsnummer 6953" und das Jahr der Produktion 1942. Ammendorf war eine Eisenbahnproduktionsstätte in der Nähe von Halle. Das Holocaust Museum Houston begann seine Suche nach solch einem Relikt kurz nachdem es 1996 eröffnet worden war. "Mit Ausnahme des Hakenkreuzes ist der Eisenbahnwaggon das am meisten bekannte Symbol des Holocausts, das wir für unser Museum erwerben mussten", sagte Susan Llanes-Myers, Geschäftsführerin des Holocaust Museums. "Nur durch Konfrontation mit solch einem Zeugnis der Vergangenheit und als Erinnerung für zukünftige Generationen können wir verdeutlichen, dass ein weiterer Holocaust gegen irgendeine Gruppe von Menschen auf der ganzen Welt niemals erlaubt sein sollte". Für die Frachtabfertigung am Flughafen Frankfurt-Hahn war das Unternehmen VG Cargo zuständig. Gemeinsam mit den Vorfeldmitarbeitern des Flughafens wurde die Fracht innerhalb kürzester Zeit in die AN124 eingeladen, so dass die Maschine um 22.17 Uhr abheben konnte. Die Flugdauer war mit zwei Tagen angesetzt, wobei ein eintägiger Zwischenstopp für Betankung und Inspektion am Keflavik Airport in Island auf dem Plan stand. Die Ankunft des Eisenbahnwaggons wird auf dem Flughafen "Fort Worth Alliance", dem einzigen Frachtflughafen in Texas erwartet. "Eigentlich ist eine Verladung solch einer Fracht per Luft untypisch, häufig wird ein Transport dieser Art eher per Straße oder Schiff organisiert", sagt Peter Bouwhuis, Vizepräsident und Direktor des Unternehmens EP-Team, einem internationalen Logistikmanagement-Unternehmen mit Hauptsitz in Amsterdam. Die zahlreichen Sponsoren dieses Projektes entschieden sich aber für eine schnelle Abwicklung. Da die auf Frachtflüge spezialisierte russische Polet Airlines unter anderem zu den Sponsoren gehörte und auch im Besitz einer der weltweit größten Frachtflugzeuge, der Antonov AN124 war, wurde dieses Unternehmen mit der Luftbeförderung beauftragt. Polet Cargo Airlines nutzt mit ihren AN124 seit mehr als sechs Jahren den Flughafen Frankfurt-Hahn als Basis für diverse Frachtflüge in alle Welt. Weitere Informationen zum Holocaust Museum Houston unter: www.hmh.org.

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