Ein Mann, ein Traum

DHRONECKEN. In den 70er Jahren fristete der Dhronecker Wasserturm ein trauriges Dasein. Fred Müller bewahrte das mittlerweile denkmalgeschützte Gebäude vor dem Abriss. Heute dient die "Tower Ranch" zahlreichen Pferdefreunden als Anlaufstation. Fürs kommende Jahr bemüht sich der Pensionär um eine Konzession, um dort regelmäßig Gäste bewirten zu können.

Wenn er Besuch im Wasserturm empfängt, dann gibt es kein Halten mehr: "Schauen Sie mal, das ist ein Original Tisch-Set aus dem amerikanischen Kapitol, dort wo gewöhnliche Touristen gar nicht hereinkommen." Die hat der 65-jährige Fred Müller "abgestaubt", als er in Washington durch Zufall in den VIP-Speisesaal gelangte und in der Nähe von Ted Kennedy speiste. Ob ein australisches Verkehrsschild, das vor Kängurus warnt, ein Longhorn aus Colorado oder eine Musikbox aus den 50er Jahren aus Berlin - das Erdgeschoss des Wasserturms ist randvoll mit Souvenirs aus aller Welt. Und voller Stolz führt Müller sie einzeln vor. Der gelernte Verfahrenstechniker war im Auftrag seiner Arbeitgeber in der ganzen Welt unterwegs. 1968 wanderte er gar nach Johannisburg aus, "weil mir hier alles zu klein war".Zwei schicksalhafte Begegnungen

Drei Jahre später zog es ihn weiter nach Australien. Dass der gebürtige Horather es in Südafrika nicht sehr lange aushielt, lag, so Müller, an der Apartheid, "die mir nicht gefiel." Es folgten Stationen in Malaysia und Kanada, wo er sogar eine Farm kaufte. Auf allen Kontinenten der Erde hat Müller gelebt. Doch es zog ihn immer wieder in den Hunsrück. Dort hatte er innerhalb von drei Jahren zwei schicksalhafte Begegnungen: 1975 die mit seiner späteren Ehefrau Christa und 1978 die mit dem Dhronecker Wasserturm. Michael Suska vom Hunsrückverein in Dhronecken hatte ihn auf das Bauwerk aufmerksam gemacht. Das Wasserturm war in äußerst schlechtem Zustand: Er war innen komplett leer, vergittert, die Fenster fehlten, das Dach war marode. "Wenn er nur eine Mark gekostet hätte, wäre er eigentlich zu teuer gewesen", schätzt er heute den Wert der Immobilie. Und dennoch erwarb er Turm und Pumpenhaus für 1200 Mark, um in den Jahren drauf mehrere 100 000 Mark wieder hineinzustecken. Zehn Jahre lang wurde saniert. Eine Firma deckte das Dach neu mit Schiefer, doch vieles machte Müller in Eigenarbeit - allein. Beispielsweise mussten elf Tonnen Kies aufs Dach transportiert werden, um eine Betonschicht zu erneuern. "Den Kies habe ich komplett über Hand hochgezogen." Die Rohre zum Wasserbehälter im Obergeschoss waren zwar vorhanden, aber es gab zum Bedauern von Müller keine Pumpen mehr, so dass es wenig Sinn machte, den Turm als technisches Denkmal zu erhalten. Deshalb traf er die folgerichtige Entscheidung: Die Rohre mussten raus. Ansonsten hat er versucht, vieles originalgetreu zu erhalten. Der Eingangbereich wurde komplett neu gemauert, mit Ziegeln aus der Bauzeit, die er zufällig in einer alten Ziegelei bei Otzenhausen wiedergefunden hatte. Für die Nutzung seiner Immobilie hatte er zunächst kein klares Konzept. Bereits 1977 schaffte er sich Pferde an - aus eher praktischen Erwägungen. Sie sollten die Fläche freihalten, sonst hätte er auf dem großen Areal Rasen mähen müssen. Doch die Vierbeiner fungieren heute längst nicht mehr nur als Rasenmäher. Sie sind ein wesentlicher Baustein der "Tower Ranch", wie Fred Müller sein Anwesen in den 90er Jahren getauft hat. Immer wieder kommen Freizeitreiter vorbei und statten Müller einen Besuch ab. Kürzlich hatte er ungewöhnlichen Besuch: Ein japanisches Hochzeitspärchen wollte unbedingt für eine Nacht im Turm schlafen. Müller machte es möglich. Nicht nur Ranch und Turm ziehen die Besucher an. Am liebsten halten sich die Gäste im "Saloon" auf, den er auf dem Gelände der "Tower Ranch" gebaut hat. Mittlerweile ist sie ein Full-Time-Job für den Pensionär.Behörden spielen beim Campingplatz nicht mit

Doch Müller ist weit davon entfernt, sich zur Ruhe zu setzen: Derzeit denkt er darüber nach, eine Konzession zu beantragen, um offiziell ein bis zweimal im Monat die Pforten für Gäste zu öffnen. In dem Zusammenhang freut er sich natürlich auch über Pläne, auf den Gleisen der nahe gelegenen Hunsrückbahn Draisinen fahren zu lassen. Falls die Weichen gestellt werden, um dort auch wieder Nostalgie-Züge fahren zu lassen, würde er möglicherweise auch einen Biergarten in Turmnähe errichten. Was seine Pläne für die Zukunft angeht, hat er zunächst allerdings einen Dämpfer erhalten: Müller beabsichtigt, auf dem 30 000 Quadratmeter großen Areal in einiger Entfernung vom Wasserturm einen Campingplatz zu errichten, den er verpachten möchte. Doch da haben die Behörden bislang nicht mitgespielt.

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