Elend, Not und Abenteuerlust

Über einen Zeitraum von etwa 150 Jahren haben Hunsrücker immer wieder in der Ferne einen Neuanfang gewagt. Doch Morbacher tauchen in den Auswanderer-Listen eher selten auf.

Morbach. (urs) Nicht nur ihr Elend hat Hunsrücker dazu bewogen, im 18. und 19. Jahrhundert ihr Bündel zu schnüren und auszuwandern. Mit Erkenntnissen wie diesen zeichnet Berthold Staudt für Besucher des Morbacher Ölmühlenfestes ein Bild der Auswanderungs-Epoche, die um 1750 begann. In manchem kleinen Dorf hätten gleich 15 Familien in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ihre Scholle verlassen. Während es die Einen ab 1750 ins Banat zog, die Region im Grenzdreieck von Ungarn, Serbien und Rumänien, lockte andere um etwa die gleiche Zeit die Wolga. Ab 1820 hießen die Ziele dann vor allem Brasilien und Nordamerika. Im damals aufstrebenden Morbach haben laut Staudt jedoch eher wenige Menschen das Risiko auf sich genommen. Zwar seien die Aufzeichnungen über Auswanderungen aus dem Amt Morbach nicht so ausführlich wie andernorts. Offensichtlich sei für Morbacher vor allem Nordamerika von Interesse gewesen. Den Grund für die Heimattreue der Morbacher sieht Staudt in den besseren Lebensbedingungen. Während es in der damaligen "schlechten Zeit" schwierig gewesen sei, seine Familie durchzubringen, habe Morbach eine Art Blüte erlebt. Im Ort, dessen Einwohnerzahl sich von 1774 bis 1870 auf 800 verdoppelte, gab es Bürgermeisterei, Poststube, Försterei, Apotheke und 20 Märkte. Dennoch packte manchen die Abenteuerlust, oder die Flucht vor Militärdienst, Unterhalts- und Steuerverpflichtungen trieb in die Ferne. Die meisten Auswanderer hatten laut Staudt eine Urkunde über die Entlassung aus dem Staatsverband und einen Reisepass. Im Falle einer Rückkehr zählte aber vor allem, ob einer es zu Wohlstand gebracht hatte: "Wer alles aufgegeben hat, für den war es nicht einfach, wenn er zurückkehren wollte." Seine Zuhörer erinnern sich teils an Episoden ihrer Familie. So weiß Ortsvorsteher Hans Jung bis heute die Nachkriegspakete von Onkel und Tante aus Amerika zu schätzen, und Juliane Degen bestätigt, einige im Dorf seien so zu neuen Kleidern gekommen.

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