Erst Nazis, dann Amis, jetzt Touris

ERBESKOPF. Viele Menschen sind heute in banger Erwartung eines Krieges im Irak. Dass vor nicht allzu langer Zeit im Hunsrück die militärische Bedrohung weitaus höher war, darüber informierte ein Vortrag 60 Zuhörer im Hunsrückhaus.

 Autofahrer, die heute die Hunsrückhöhenstraße entlang fahren, sind sich kaum noch darüber bewusst, dass die Bundesstraße in der Vergangenheit vor allem eine militärische Bedeutung hatte. Foto: TV-Archiv/Klaus Kimmling

Autofahrer, die heute die Hunsrückhöhenstraße entlang fahren, sind sich kaum noch darüber bewusst, dass die Bundesstraße in der Vergangenheit vor allem eine militärische Bedeutung hatte. Foto: TV-Archiv/Klaus Kimmling

DieBedeutung der Hunsrückhöhenstraße zeigte sich nach ihrem Bau imDritten Reich an den vielen militärischen Anlagen in ihrer Nähe.Es gab Feldflugplätze, Flak-Stellungen, Funk- und Radaranlagensowie Abschussrampen für Hitlers "Vergeltungswaffen", berichteteElmar Ittenbach. Er befasste sich in seinem Vortrag imHunsrückhaus mit der Geschichte der Hunsrückhöhenstraße, die ermit der militärpolitischen Bedeutung der Region im vergangenenJahrhundert verknüpfte. Hermann Göring selbst sei für den Bau der Hunsrückhöhenstraße verantwortlich gewesen. Er bezeichnete das Projekt als "Maßnahme zur Hebung des Fremdenverkehrs". Tatsächlich habe aber jeder gewusst, dass ein militärischer Zweck zugrunde lag.

Straßenbau fast ohne Einsatz von Maschinen

Nach nur 100 Tagen Bauzeit war die Straße 1938 befahrbar, rechtzeitig für den Bau des "Westwalls" und den Zweiten Weltkrieg. Der Bau erfolgte fast ohne Einsatz von Maschinen, aber es habe genügend Arbeitssuchende gegeben, die für geringen Lohn täglich bis zu 13 Stunden arbeiten wollten.

Sprunghaft nahm die Zahl der militärischen Anlagen während des Kalten Kriegs zu, denn für die Militärstrategen galt der Hunsrück als optimales Stationierungsgebiet. Er war "nahezu menschenleer". Auf dem Erbeskopf baute man eine große Radaranlage. An der Stelle eines alten Feldflugplatzes entstand die "Hahn Air Base". So wurde der Hunsrück zum "größten Flugzeugträger der Nato". Es gab außerdem Kasernen und etliche Material- und Munitionslager. Der Atombunker "Erwin" bei Börfink war eine der europäischen Befehlszentralen der Nato.

Bedeutender aber seien die Standorte von Kernwaffen gewesen. In der Nähe von Wenigerath lagerten Atombomben. Bei Hasselbach, unweit der Hunsrückhöhenstraße, wurden nukleare Cruise Missiles stationiert. In keiner Region Europas habe es mehr Kernwaffen gegeben. Aber die Sowjets hätten über ein noch stärkeres Atomwaffenarsenal verfügt. Das war das "Gleichgewicht des Schreckens".

Insbesondere der Bunker am Erbeskopf und die Cruise-Missile-Basis wären Ziele sowjetischer Nuklearwaffen gewesen - mit fatalen Folgen: Ein Einschlag am Erbeskopf hätte, so Elmar Ittenbach, in einem Umkreis von sechs Kilometern den sofortigen Tod bedeutet, der radioaktive Niederschlag hätte selbst Trier noch bedroht. "Das kann man nur Apokalypse nennen." Die Angst vor dem nuklearen Holocaust war also durchaus berechtigt. Zuhörerin Katharina Schneider meinte dazu: "Man wusste von der Bedrohung, aber man versuchte, es zu verdrängen."

Die Stationierung von Atomwaffen stieß auf Widerstand. Im Hunsrück entwickelte sich eine große Friedensbewegung, die die heutige weit in den Schatten stellt. Mit Demonstrationen, Gottesdiensten und Informationsabenden wollte die Friedensbewegung auf die enorme Bedrohung aufmerksam machen. Dennoch blieb vielen die enorme Gefahr verborgen: "Man saß sorglos auf dem Pulverfass!"

Aber mit Michail Gorbatschow begann die Annäherung von Ost und West. Die nukleare Bedrohung der Region fand ein Ende. Die meisten militärischen Anlagen auf dem Hunsrück wurden aufgegeben. Dann ging es um Konversion - die zivile Nutzung militärischer Anlagen.

Der Flugplatz Hahn ist heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Hunsrück. Auf dem Gelände der Raketenstellung "Pydna" bei Hasselbach finden jährlich über die Region hinaus bekannte Techno-Festivals statt.

"Erst kamen die Nazis, dann die Amis und jetzt die Touris", fasst Elmar Ittenbach die jüngste Geschichte der Region zusammen.

Bis zum 27. Februar ist übrigens noch eine Ausstellung zur Geschichte der Hunsrückhöhenstraße im Hunsrückhaus am Erbeskopf zu besichtigen.

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