Es war einmal ein Naturdenkmal

HAAG. Das Ergebnis einer Bestandspflege in einem Stechpalmen-Wäldchen an der Alten Römerstraße bei Haag, das als Naturdenkmal ausgewiesen ist, sorgt für einiges Aufsehen: Während Naturliebhaber und Fachleute teilweise mit Unverständnis reagieren, ist für Forst und Kreis alles im grünen Bereich.

Bei Norbert Bastian, einem naturverbundenen Horather, saß der Schock noch nach Tagen tief. Schon als Kind hatte der 81-Jährige das 0,1 Hektar große Wäldchen mächtigerStechpalmen an der Alten Römerstraße bewundert. In der Woche vor Ostern - also etliche Wochen nach dem jährlich ab März beginnenden Schnitt-Verbot zum Schutz von Brut- und Lebensraum von Singvögeln, Insekten und Kleinsäugern - stand er fassungslos vor vollendeten Tatsachen. Die vordere Reihe des als Naturdenkmal ausgewiesenen Bestandes mit Ilex - so wird die Stechpalme auch genannt - von drei bis vier Metern Durchmesser war komplett abgesägt.Haager Rentner ist entrüstet

Kreuz und quer lagen die schätzungsweise zehn Meter langen und den Stümpfen nach 14, 15 Zentimeter dicken Stämme zwischen den verbliebenen dünnen, astarmen Stämmchen - dahinter unverändert der sie begrenzende Fichtenbestand. "Das tut einem weh - 80 Prozent haben sie niedergewalzt", empört sich der Rentner. Hier sei Tabula rasa, sprich rücksichtslos Ordnung, gemacht worden. Auch Norbert Schemer, Ortsvorsteher von Haag, auf dessen Gemarkung das Naturdenkmal liegt, hatte davon nichts gewusst. Ebenso wenig wie sein Horather Kollege Helmut Schuh: "Ich bin entrüstet - das war für mich immer etwas Heiliges." Laut Landespflegegesetz (siehe Hintergrund) sind daher allein schon die Handlungen, die zu einer Veränderung eines Naturdenkmals führen können, verboten. Doch für Hans-Jürgen Wagner, Leiter des Forstamts Dhronecken, ist alles im grünen Bereich. "Das ist eine ganz gezielte ordnungsgemäße Maßnahme, damit die Stechpalmen sich verjüngen", stellte er nach einer Ortsbesichtigung fest. Ansonsten gingen diese kaputt: "Die verfaulen von unten." Auch die großen, noch stehenden Stechpalmen seien in einem "bedenklichen Zustand" - würden aber wieder ausschlagen. Bereits 1997 sei ein Läutern des Bestandes angeregt worden, was nun staatliche Forstwirte auf Weisung des Revierleiters Bernhard Haus ausgeführt hätten. Haus sei auch der richtige Ansprechpartner für detaillierte Angaben zum Bestand. Doch auf entsprechende Nachfrage fiel dessen Antwort überraschend aggressiv aus: "Ich kann nicht genau sagen, wie alt die Bäume sind, wie dick und wie hoch, weil das dafür keine Rolle spielt. " Hier sei es ums Freistellen von "Zukunftsbäumen" sowie den dauerhaften Erhalt des Bestandes gegangen. Am Erfolg der Pflegeaktion gibt es für ihn keinen Zweifel: "Ich habe mit Ilex große Erfahrung, weil ich hohe Bestände in meinem Revier habe." Eine Nachfrage beim Fachbereich Umwelt der Kreisverwaltung, der die Arbeiten angeordnet hatte, sorgte erst einmal für Verwirrung. Nachdem mal die Rede vom notwendigen Ausdünnen der hinter den Ilex wachsenden Fichten, mal vom Ausdünnen des Bestandes selbst war, folgte der Verweis auf die Pressestelle. Ute Erz teilte letztendlich mit: "Vom damaligen Forstamt Morbach war angeregt worden, den Bestand sowohl von bedrängenden Fichten frei zu stellen, als auch zu vereinzeln, um wuchsfreudigen und dominanten Exemplaren Raum zu weiterer Entwicklung zu geben." Da das Wäldchen durch Fäule bedroht gewesen sei, sei die Maßnahme laut Erz erforderlich gewesen: "Da können wir nicht anders."Eine Besonderheit der heimischen Natur

Seitens der Landespflege sei dem für den nach wie vor als Naturdenkmal ausgewiesenen Bestand zugestimmt worden. Mehrere Experten, die wegen ihrer Abhängigkeit vom Forst nicht genannt werden wollen, wunderten sich dennoch über den Umfang der Pflegemaßnahme. "Das ist doch ein Naturdenkmal - da braucht nicht geschnitten zu werden und da darf wachsen, was will." Allerdings, einer von ihnen bestätigte nach einem Ortstermin, dass zu sehen war, dass in der Tat zumindest einige Stämme gefault hätten.

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