Feinste Nuancen

Morbach. (gkl) Spektakuläres war beim Gastspiel der Mosel Festwochen in der Walholzkirche von Morbach-Hunolstein nicht zu erwarten. Freunde des Intimen, des Ruhigen waren angesprochen. Die Besucherzahl des Konzertes zeigte, dass es davon mehr gibt, als man vermutet. So war Uta Boer von der Festivalleitung auch die Freude ins Gesicht geschrieben, als sie bei der Begrüßung "trotz schönsten Wanderwetters" in eine vollbesetzte Kirche blickte.

Mit Lutz Kirchhof hatten die Festwochen einen Solisten in den Hunsrück geholt, der sich seit vielen Jahren mit der Laute befasst. Systematisch hat er sich mit diesem in seinen Ursprüngen über 4000 Jahre alten Instrument auseinander gesetzt. Kirchhos gilt heute zumindest für die Renaissance- und Barocklaute als einer der führenden Wissenschaftler.Kaum ein Instrument wurde in seiner Blütezeit so vielseitig eingesetzt wie die Laute. Sie begleitete den Liebhaber, der seiner Angebeteten seine Gefühle gestand, ebenso wie die Nachrichtenüberbringer, die auf Volksfesten mit Moritaten die Leute unterhielten. Für die Hausmusik in der Barockzeit war sie das Instrument schlechthin. So verwunderte es nicht, dass Kirchhof seinem Publikum berichten konnte, es gebe wohlbegründete Vermutungen, dass für kein anderes Musikinstrument mehr Literatur vorhanden sei.Zwischen Theorie und Praxis klaffen gelegentlich schon einmal große Lücken, denn nicht jeder, der sich mit der Theorie auskennt, weiß diese auch in die Praxis umzusetzen. Nicht so bei Kirchhof. Er konnte nicht nur mit Wissen glänzen und sein Programm mit Erläuterungen untermauern, sondern erwies sich auch als ein exzellenter Musiker. Gemäß der Konzertüberschrift "Bach am Bach" fanden sich der berühmte Thomaskantor und zwei Tonsetzer aus dessen Umfeld in seinem Hunsrücker Repertoire. Kirchhof legte damit den Grundstein für eine in verschiedener Hinsicht hochinteressante Veranstaltung. Indem er die Suite in g-Moll, BWV 995, von Johann Sebastian Bach, die F-Dur Sonata von Johann Kropfganss dem Jüngeren und die Suite in A-Dur von Sylvius Leopold Weiss einander gegenüberstellte, verschaffte er dem aufmerksamen Hörer einen tiefen Einblick in die Musikwissenschaft. Kropfganss' Komposition, die auch im Bachschen Hause erklungen sein dürfte, zeigte einen Ausblick darauf, wie sich die Musik von der strengen Form hin zum galanten, um nicht zu sagen glatten, weniger anspruchsvollen Stil entwickelte. Bei der Gegenüberstellung von Weiss und Bach konnte man sehr schnell die Kompetenz der Komponisten erkennen. Bachs Suite ist die Übertragung eines Werkes für Violoncello und Laute sperrte sich manchmal ein wenig gegen die Laute. Die Suite von Weiss, einem der berühmtesten Lautenisten seiner Zeit, war dagegen dem Intsrument auf den Leib geschrieben.Der zweite Aspekt, der das Konzert zu einem Erlebnis machte, waren natürlich die Künste Kirchhofs. Wer seinem Spiel mit spitzen Ohren und großer Konzentration folgte, konnte nur verwundert sein über die klangliche Vielfalt, die Kirchhof seinem Instrument entlockte. Feinste Nuancen bestimmten das musikalische Farbenbild, mit dem er die Walholzkirche füllte. Gekonnt und vielseitig setzte er die barocke Lehre der Affekte in die Tat um, füllte trockene Theorie mit zartem, aber sehr strahlkräftigem Leben. Dass Kirchhof sein Publikum erreichte, zeigte nicht zuletzt, dass er sich für den Applaus vier Mal musikalisch bedanken musste.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort