Ja, sie lebt noch, sie lebt noch...

MORBACH. Helga Loch ist eines der letzten Morbacher Originale. Bis heute führt die 72-Jährige das Hotel "Rathauscafé". Eine besondere Beziehung hat die Wirtin zum Karneval. Dann geht es bei ihr stets hoch her. Auch die Büttenredner kommen nur selten ohne sie aus.

Sie ist nach eigener Aussage die ideale Gastwirtin. Sie kommt mit wenig Schlaf aus, hat ein hervorragendes Personengedächtnis, und sie ist in Morbach stets in aller Munde. Kaum ein Jahr, in dem sie in der Morbacher Kappensitzung nicht vorkommt. Die Dilldappen, die Morbacher Karnevalsgesellschaft, würdigten sie auch in diesem Jahr. Angelehnt an das Holzmichl-Lied sang die Gruppe Hartmut voller Inbrunst "Ja, sie lebt noch, sie lebt noch...". Gemeint ist Helga Loch, Wirtin des Hotels "Rathauscafé". Der Hinweis, dass es die gebürtige Ruschbergerin (bei Baumholder) noch gibt, war offenbar notwendig. Denn in Morbach hieß es, sie schließe, oder für sie noch schlimmer: Das Rathaus-Café sei bereits zu. "Das ist geschäftsschädigend", ärgert sich die 72-Jährige immer noch. Lange Zeit wusste sie nicht, warum die Gäste wegblieben. "Man selbst erfährt es ja zuletzt." Als sie von dem Gerücht hörte, reagierte sie prompt und gab ein Inserat auf, in dem zu lesen war: "Wer hat dieses Süppchen gekocht? Ich verkaufe nicht. Ich mache nicht zu. Alles Lüge!" Die rüstige Seniorin ist eines der letzten Morbacher Originale. Und auch ihre Wirtschaft ist unverwechselbar: Resopal-Tische, Linoleum-Fußboden, und aus einer Glasvitrine schauen Puppen heraus. Die Gäste fühlen sich in der Gaststätte in die 50er-Jahre zurückversetzt. Damals übernahm sie mit ihrem Mann Karl die Bäckerei im selben Haus, der Schwager betrieb das angrenzende Café inklusive Wirtschaft. Stimmung wurde in der Wirtschaft auch früher schon groß geschrieben. Der Schwager sorgte damals mit einem Schifferklavier für Unterhaltung. Zwei Jahre später übernahm das Ehepaar den gesamten Betrieb. Karl Loch war für die Backstube zuständig und sie für den ganzen Rest. Besonders stolz ist die Wirtin darauf, dass viele Gäste ihr nach eigener Aussage bis heute die Treue halten. Seit 30 Jahren kommen beispielsweise Jäger aus Düsseldorf, früher als Übernachtungsgäste, heute noch zum Feiern. "Wir haben hier viele schöne Stunden erlebt", blickt Helga Loch zurück. Das blieb so, bis ihr Karl vor wenigen Jahren starb und sich sich die Frage stellte, ob sie weitermachen solle. "Aber das Rathauscafé ist mein Leben", merkte sie und machte weiter. Wenn sie die drei Enkel sehen will, sperrt sie schon mal ein paar Tage zu. Oder wenn die Kinder für ein Flugticket zusammenlegen, was heute häufiger vorkommt. Mit dem Ehemann reichte es in all den gemeinsamen Jahren gerade für zwei Urlaubsreisen. Je später der Abend, um so mehr wird getanzt, gesungen und geschunkelt. Denn "zur Helga" geht man oft erst, wenn man vorher schon anderswo war. Bei den Morbacher Kappensitzungen beispielsweise. In der Nacht zum Sonntag kamen die Karnevalisten beispielsweise erst, als sie eigentlich schon zumachen wollte. Klar, dass daraus nichts wurde. Für Helga Loch kein Problem, spätestens seit die Sperrstunde weggefallen ist. Auch wenn der Schlaf in solchen Fällen etwas kurz kommt: Bis heute stellt sich für sie die Frage nicht, ob sie aufhören soll. "Ich fühle mich noch nicht alt genug", schmunzelt sie. Und man glaubt es ihr.

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