(K)ein Kulturschock für Kinder
NEUNKIRCHEN. Lange stand der diesjährige Besuch von Kindern aus Weißrussland auf der Kippe. Doch inzwischen ist auch das aktuelle Engagement der Tschernobyl-Hilfe Erbeskopf in trockenen Tüchern.
Wie in den vergangenen Jahren sollte auch 2005 eine Hilfsaktion zugunsten von rund 50 Kindern stattfinden. Doch dann drohte Alexander Lukaschenko mit einem Ausreise-Verbot für Tschernobylkinder. Ende vergangenen Jahres hatte der weißrussische Präsident angekündigt, ein für allemal die Kontrolle über die Erholung von Kindern zu übernehmen. Im Klartext: Den Kindern sollten die mehrwöchigen Erholungsaufenthalte in westeuropäischen Ländern untersagt werden. Vor allem befürchtete der letzte Diktator Europas einen Kulturschock durch die westliche Konsumgesellschaft. Für die Tschernobyl-Hilfe Erbes-kopf war die Ankündigung Lukaschenkos wie für viele andere Hilfsorganisationen ein Schock. Die Vereinsmitglieder machten sich erhebliche Sorgen um die Zukunft ihrer Aktivitäten und um die Kinder in Weißrussland. Die Helfer reagierten: Sie schlossen sich den Protesten anderer Hilfsorganisationen an. Sie entschieden trotz aller Unklarheiten, schon einen Bus für August zu bestellen, erklärt Jürgen Krebs. Denn schließlich sei es einfacher, im Frühjahr eine Busfahrt zu stornieren, als ein neues Fahrzeug zu ordern, erklärte der Schriftführer der Tschernobyl-Hilfe weiter. Nach wie vor leiden die Kinder an den Spätfolgen der Reaktorkatastrophe. Sie seien nicht nur der Radioaktivität ausgesetzt, sondern sie müssten sich auch von den dort angebauten Lebensmitteln ernähren. Deshalb sei der Erholungsurlaub im Hunsrück mehr als nur eine "Luftveränderung". Inzwischen leide jedes dritte Kind in Weißrussland an einer Veränderung der Schilddrüse. Untersuchungen hätten ergeben, dass mehrwöchige Aufenthalte in Deutschland das Immunsystem der Mädchen und Jungen stärke. Auch die Kritik, die Kinder würden einen Kulturschock erleiden, weist die Tschernobyl-Hilfe zurück. Vielmehr würden die Kinder bei ihren Gastfamilien Zuwendung und Wärme erfahren. Doch mittlerweile haben Kinder wie Organisatoren Planungssicherheit. Dem dreiwöchigen Aufenthalt von 50 Kindern in der Region vom 3. bis 22. August steht nichts mehr im Wege. Fix ist im übrigen auch der Termin für das Western- und Countryfest am Wochenende, 5. bis 7. August. Für einen Großteil der Kinder sind bereits Gasteltern gefunden. Problematischer sieht es bei den Hilfstransporten nach Weißrussland aus, räumt Krebs ein. Sie sind seit zwei Jahren ausgesetzt. In der Vergangenheit firmierten sie unter dem Motto "Hilfe, die ankommt". Und das sei zum Schluss nicht mehr gewährleistet gewesen. Den Helfern, die zwei, drei Lastwagen in die gebeutelte Region gebracht und entladen hätten, so Krebs, sei vermittelt worden, dass ihre weitere Anwesenheit nicht erwünscht gewesen sei. Ob die Spenden tatsächlich bei den Hilfsbedürftigen ankommen würden, blieb unklar. Die Tschernobyl-Hilfe Erbes-kopf sucht noch Gastgeber-Familien für den Aufenthalt der Kinder in diesem Sommer. Die Tschernobyl-Hilfe bittet auch Vereine und Organisationen, sich am Freizeitprogramm zu beteiligen. Weitere Informationen und Anmeldung bei Jürgen Krebs, Telefon 06507/701971, und Heike Bohn, Telefon 06507/2576. Infos gibt‘s auch im Internet unter www.tschernobyl-hilfe.de.