Landrat regt Protestaktion in Berlin an

Der Kreis macht im nächsten Jahr neue Schulden in Höhe von rund 16,7 Millionen Euro. Dieser Berg wächst dadurch bis Ende 2010 auf 107 Millionen Euro. Weil alle bisherigen Hilferufe nichts gebracht haben, wurde im Kreistag jetzt laut über massivere Formen des Protestes nachgedacht.

Idar-Oberstein. Eine Großdemo in Berlin schlug Landrat Axel Redmer vor, um so auf die desolate Finanzsituation der Kommunen aufmerksam zu machen. "Weit und breit ist keine Hilfe in Sicht. Wenn aber Zigtausende Kommunalpolitiker vor dem Brandenburger Tor oder vor dem Reichstag protestieren, können die Bundespolitiker das nicht mehr ignorieren."

Nachdem alle bisherigen Hilferufe nichts gebracht haben, müsse man ernsthaft über andere Formen des Protestes nachdenken, meint der Landrat. Nach seinen Vorstellungen sollten die kommunalen Spitzenverbände, Landkreistag, Städtetag sowie Gemeinde- und Städtebund, gemeinsam eine solche Demo für haupt- und ehrenamtliche Kommunalpolitiker initiieren.

Auf offene Ohren stieß er bei Peter Simon (CDU): Das sei der richtige Weg, nachdem alle Resolutionen offenkundig ins Leere laufen. "Wir haben die Misere nicht selbst verursacht und können sie auch nicht selbst verändern", stellte der frühere Bürgermeister von Idar-Oberstein fest. Das Elend kreativ verwalten. Nur ein schwacher Trost ist es für den Landrat, dass es anderen, darunter auch der Nachbarkreis Bad Kreuznach, noch schlechter geht. "In Berlin wird beschlossen und beschlossen, und wir müssen es ausbaden", beklagte Redmer angesichts der den Kreisen aufgebürdeten Pflichtaufgaben. Die gesamten Einnahmen des Kreises reichen nicht, um die Ausgaben für Jugendhilfe und Soziales abzudecken, machte er deutlich.

Akuter Handlungsbedarf auf höherer Ebene



Das neue Wachstumsbeschleunigungsgesetz des Bundes "nimmt uns auch noch die letzten Spielräume", befürchtet Hans Jürgen Noss (SPD). Die Ausgaben für die Sozialhilfe liegen inzwischen bei 787 Euro pro Einwohner. "Das System in der jetzigen Form überfordert den Staat und vor allem die Kommunen", schlussfolgerte Noss. Insgesamt bleibe nichts anderes übrig, als "das Elend so kreativ wie möglich zu verwalten". Das gelinge dem Kreis unter Führung des Landrats immer wieder hervorragend, urteilte der SPD-Sprecher.

Akuten Handlungsbedarf auf höherer Ebene sieht er bei einem speziellen Thema. Der sich zuspitzende Pflegenotstand führe letztlich zu der Frage: "Was sind uns unsere Alten und Kranken wert?" Auf die Haushaltssituation könne man eigentlich nur noch mit einer "bunten Mischung aus Fatalismus und Resignation" reagieren, befand Kirsten Beetz (CDU). "Die Schulden wachsen uns über den Kopf", bilanzierte sie. Der Kreisslogan "Alles im grünen Bereich" wirke angesichts der Finanzsituation des Kreises eher sarkastisch, urteilte Dr. Lothar Ackermann (FDP). "Die da oben denken offenbar, die da unten werden sich schon durchwursteln."

In Rheinland-Pfalz sei eine kommunale Finanzreform notwendig, meinte Guido Mey (FLKB) mit Blick auf andere Bundesländer, in denen es den Kommunen besser gehe. Eine Zwangsverwaltung des Kreises durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion käme für ihn aber "einer Kapitulation gleich". Damit sei nichts gewonnen. Tanja Krauth sieht die Ursache für die Misere in der Steuer- und Finanzpolitik des Bundes, die für eine Umverteilung zugunsten der Reichen und damit "für ein Auseinanderklaffen der Gesellschaft sorgt".

"Man kann nur von dem Geld leben, das man hat", rief Bernhard Zwetsch (FDP) eine alte Regel in Erinnerung. Ob Bund oder Land: Es gebe inzwischen keine Ebene mehr, "die noch Geld zu verteilen hat". Das laufe alles auf einen Paukenschlag, beispielsweise in Form einer Geldentwertung, hinaus.

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