Medizin aus dem Boden

DHRONECKEN. (urs) Kräuter und Saaten haben den Dhronecker Helmut Lützenberger sein Leben lang begleitet – und faszinieren ihn noch heute.

Wer von der Landwirtschaft lebt, hat die Vegetation automatisch im Blick. Doch Helmut Lützenberger hat stets noch etwas genauer hingeschaut. Denn mit Tannessel oder Fingerhut (Digitalis), einem Kraut gegen Herzkrankheiten, hat der Dhronecker früher Geld verdient. Dank der Pharmakonzerne habe nach dem Krieg so manch einer über Wasser gehalten, erzählt der 82-Jährige. Deshalb seien auch die Kinder zum Kräutersammeln eingespannt worden. Noch heute Kräuter in der Kühlung

Doch diese Jahre sind längst vorbei. Lützenberger, der im Telefonbuch noch vor wenigen Jahren unter dem Eintrag "Kräuter und Saaten" zu finden war, kann es aber so ganz noch nicht lassen. Einige Samen schlummern auch heute noch bei ihm zu Hause in der Kühlung. Und der Garten vor seinem Haus repräsentiert wie eine Visitenkarte unverkennbar den Kräuterliebhaber. "Mit dem Kraut, das ist schon so was", sagt der Rentner: "Wenn man damit mal angefangen hat, kommt man nicht mehr davon los." Die Anfänge seiner Begeisterung für Heilkräuter reichen bis in seine Kindheit zurück. Zu seiner Schulzeit seien um Dhronecken herum viele Kräuter gesammelt worden. Noch heute hat er ausgewilderte Kornfelder vor Augen oder die vielen Kahlschläge, die beste Voraussetzungen für das Wachstum der Kräuter waren. Entlang der Bahngleise in Richtung Pölert wusste er damals ganz genau, wo welches Kraut zu finden war. Zwischen Geisfeld und Rascheid, wo die Bahn wegen des Höhenunterschieds nur langsam voran kam, sprangen er und andere Jungen oft vom fahrenden Zug ab, um Kräuter zu pflücken. 30 Pfennig für ein Kilo Tannesseln haben sie damals bekommen, zu dieser Zeit viel Geld. Die Ware wurde getrocknet aufgewogen: "Da musste man schon viel sammeln", erinnert sich der 82-Jährige. Doch irgendwann ging die Nachfrage nach Pflanzen wie Mauerpfeffer, einem Dickblattgewächs, zurück. Und auch das Weideröschen, das laut Lützenberger "gegen die Altmänner-Krankheit" hilft, will längst kein Saatgut-Großhändler mehr haben. "Das bauen die heute alles selbst an", nennt er die Hintergründe: Alles, was sich lohne, werde selbst angebaut. Und was vor Ort wachse, werde gnadenlos kaputt gespritzt. Mit den wild wachsenden Kräutern werde das irgendwie immer weniger, ist er überzeugt. Doch ein Trost bleibt dem Vater von vier Kindern und zweifachen Großvater: auch, wenn es den Anschein habe, dass manches Kraut unwiederbringlich vom Erdboden verschwunden sei, will das noch gar nichts heißen: "Das liegt alles noch im Boden drin."

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