Mit einem Rollstuhl-Taxi gegen Ataxie

MALBORN. Marina Stüber aus Malborn leidet an Heredo Ataxie, einer in der Öffentlichkeit noch weithin unbekannten Krankheit. Als Bundesvorsitzende einer Selbsthilfegruppe will sie anderen Betroffenen Mut machen. Die Initiative lädt am kommenden Sonntag, 26. Juni, zum Integrativen Bergfest auf dem Erbeskopf ein.

Die 31-jährige Marina Stüber ist in Malborn keine Unbekannte. Doch ihr Bekanntheitsgrad ist kürzlich noch gestiegen. Immerhin war sie beim Rheinland-Pfalz-Tag im Fernsehen zu sehen, als Kurt Beck ihr die Hand schüttelte. Und Becks Gattin Roswitha gab ihr sogar ein Küsschen. Die ehemalige Erzieherin, die seit 1997 berufsunfähig ist, war mit Ehemann Franz-Josef nicht nur zum Spaß in Bad Ems. Die beiden repräsentierten dort mit weiteren Mitgliedern die Deutsche Heredo Ataxie Gesellschaft (DHAG), deren Bundesvorsitzende Stüber seit 2003 ist. Und damit die Gruppe in dem farbenfrohen Umzug auch auffiel, ließ man sich etwas einfallen. Der Rollstuhl der Vorsitzenden wurde kurzerhand umgebaut in ein "Taxi", Kennzeichen: ATA-XIE 1. Die Mutter eines fünfjährigen Sohnes leidet an Heredo Ataxie. Die verschiedenen Krankheiten, die unter dem Begriff summiert werden, haben eines gemeinsam: Nervenzellen sterben ab. Es kommt, so erzählt die Betroffene, zu Sprech- und Gehstörungen. Auch die Feinmotorik ist häufig eingeschränkt. Marina Stüber leidet an der Friedreich‘schen Ataxie, einer sehr weit verbreiteten Erbkrankheit, die nicht heilbar ist. Wenn Fremde sie fragen, bringt sie ihr Krankheitsbild mit einem Lächeln auf den Punkt: "Ataxie ist, wenn der Fuß nicht macht, was der Kopf will." Seit fünf Jahren sitzt Marina Stüber im Rollstuhl. Wer glaubt, dass eine Frau, derart gehandicapt, zu Hause in ihren vier Wänden bleibt, kennt sie schlecht. Abgesehen davon, dass die Mutter im Rollstuhl sitzt, führt die Familie ein ganz normales Leben: Die Eltern fahren nicht nur zum Rheinland-Pfalz-Tag, sondern sie besuchen auch Freunde in Schwaben, während der kleine Jonas mit den Großeltern Urlaub macht. Erste Symptome in der Pubertät

Die ersten Symptome der Krankheit traten in der Pubertät auf. Ab und zu stieß sich Marina an Türrahmen. Und beim Tanzkurs kam sie mit den schnelleren Schritten nicht klar. 1994 wurde die Krankheit diagnostiziert. Ein harter Schlag für das Paar, das weder auf eine Ehe, noch auf Kinder verzichten wollte. "Man kann nicht vor allem weglaufen", so kommentiert der Ehemann diese Haltung. Die Hochzeitsglocken läuteten also trotzdem. Und nach einer genetischen Untersuchung, die klar stellte, dass bei ihren Kindern die Krankheit nicht ausbrechen würde, stand auch der Nachwuchsfrage nichts mehr im Weg. 1997 hörten sie das erste Mal von der Selbsthilfegruppe. Die erste Mitgliederversammlung, die sie besuchten, war nicht ermutigend. Die Stübers waren erschrocken über das Krankheitsbild im fortgeschrittenen Stadium. "Dass es einem selbst mal genauso gehen kann, will man zunächst weit von sich weisen", sagt die 31-Jährige, die mit ihrer Krankheit sehr offen umgeht. Auffallend war für die gelernte Erzieherin, die früher in einem Kinderheim in Rascheid arbeitete, auch, dass es keine Kinder- und Jugendarbeit in der Gesellschaft gab: "Das war für mich eine Herausforderung", sagt sie. Sie organisierte ein Familienwochenende in Thalfang. Der Kletterturm vom "Forum aktiv" in Thalfang "war für die Kinder ein unwahrscheinliches Erlebnis". "Gemeinsam Spaß zu haben und Lebenfreude zu vermitteln", das steht bei ihr ganz oben auf der Prioritätenliste. Rollstuhl-Tanz wird bei den Treffen der Gruppe, in der mittlerweile viele Jüngere aktiv sind, ebenso angeboten wie Spiele. Doch wichtig ist Marina Stüber auch die Öffentlichkeitsarbeit. Dass viele Selbsthilfe-Gruppen ein "Insel-Dasein" führen, gefällt ihr nicht. Ein Fest soll zumindest in der Region dafür sorgen, dass sich behinderte und nicht behinderte, kranke und gesunde Menschen näher kommen. Deshalb lädt die DHAG am Sonntag, 26. Juni, zu einem Integrierten Bergfest am Erbes-kopf ein. Die Bandbreite der Angebote reicht von Sitztanz für Senioren über einen Rollstuhl-Parcours bis hin zum Nordic-Walking-Schnupperkurs. Um 11 Uhr beginnt ein Familien-Gottesdienst. Anschließend werden eine Informationsmeile rund um die Themen Integration und Selbsthilfe sowie Stände und Workshops eröffnet.

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