Paella aus dem Eimer

MORBACH. Die saarländische Schauspielerin Alice Hoffmann bewies mit ihrem Comedy-Programm "Vanessa Backes in Mallorca", dass ihr Talent weit über die allseits bekannte Figur "Hilde Becker" hinaus reicht.

Wer von den 300 Besuchern in die Baldenauhalle gekommen war, um die Ehefrau des Fernseh-Saarländers Heinz Becker zu erleben, sah sich getäuscht. In ihrem dritten Solo-Programm schickt Alice Hoffmann ihre Kunstfigur Vanessa Backes auf einen Pauschaltrip nach Mallorca, richtig ausgesprochen "Mallorka", wie uns Frau Backes belehrte, und nicht "Majorka", wie es die Ossis in ihrem Hotel Miramar tun würden. Nun mögen Hilde und Vanessa einiges gemeinsam haben, angefangen bei ihrer kleinbürgerlichen Herkunft und dem saarländischen Dialekt - in der Art, wie sie ihr Leben meistern, können sie dagegen kaum verschiedener sein. Vor allem, was die Männer angeht. Da ist zum einen Herbert, dessen Frau just ihr drittes Kind erwartet, und der sich darum außerstande sah, seine heimliche Liaison auf die Insel zu begleiten. Kein sonderlich triftiger Grund, findet Vanessa, wollte sich Herbert doch ohnehin schon seit langem von seiner Frau scheiden lassen. Zum Glück gibt es im Hotel Miramar reichlich Ersatz. Angefangen beim unwiderstehlichen, aber natürlich schwulen Hotelfrisör Alphonso Jesus Maria José Lopez bis hin zum sächselnden Ossi Olaf Obermann. Alice Hoffmann ließ kaum ein Klischee aus und schaffte es durch die symphatische Unbefangenheit ihrer Kunstfigur dem Publikum, von denen nach eigenen Angaben nicht wenige schon auf Mallorca ausgespannt hatten, einen Spiegel vorzuhalten. Ihre Seitenhiebe gegen die Touristikindustrie und den Pauschaltourismus, angefangen beim Animationszirkus, über den Baustellenlärm, das Besäufnis am Ballermann bis hin zu Fischvergiftung und defekten Toiletten, genossen offenbar einen hohen Wiedererkennungsgrad. Das Publikum amüsierte sich köstlich. Und das lag nicht nur an Hoffmanns komödiantisch-akrobatischem Geschick im Kampf mit einer aufmüpfigen Strandliege und den damit einhergehenden Peinlichkeiten. Ihre Pointen saßen messerscharf, die skurrilen Wortverwechslungen (Paella statt Sangria, Tango statt Tanga) überraschten stets aufs Neue; selten kann man eine Künstlerin erleben, die ihr Publikum ab der ersten Minute in ihren Bann zieht. Holländisches Meisje oder herbe Feministin

Ausgesprochen hilfreich erwies sich dabei Hoffmanns großartige Improvisationsgabe, die sie mühelos und zu jedem Zeitpunkt mit den Zuschauern in-teragieren ließ und diese zu verbündeten Pauschaltouristen machte, die willenlos dem Tralala-Gesang und den Bewegungsmätzchen eines Linda-de-Mol-Animateurinnen-Verschnitts folgten. Neben der lebenslustigen Saarländerin Vanessa Backes bewies Hoffmann aber nicht nur als blond bezopftes, holländisches Meisje ihr vielseitiges schauspielerisches und gesangliches Spektrum. Auch die Esoteriksparte bekam ihr Fett ab in Gestalt der herben Feministin Elisabeth Schaltmeyer-Poppenhuck (für Freunde: Poppy), die über ihren ehemaligen Häuserkampf mit Joschka und dem heutigen Überflüssigkeitsfaktor von Ehemännern schwadronierte. Männer spielen im Leben von Hoffmanns Figuren keine allzu große Rolle. Dem männlichen Teil des Morbacher Publikums war's egal. "Die Frau ist einfach irre", lachte Dieter Gerdes, als Zuschauer extra für den Abend aus Simmern angereist, am Ende der zweieinhalbstündigen Show. Er war wegen Hilde Becker gekommen. Zurückgefahren ist er im Geiste mit drei völlig anderen Frauen.

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