Pendler zwischen alter Burg und neuem Schloss

BIRKENFELD/LONGUICH. Jürger Schlöder ist nicht nur ein Grenzgänger diesseits und jenseits des Erbeskopfs. Er pendelt auch zwischen zwei Welten. Tagsüber befasst er sich mit Bauwesen und Umweltschutz, abends und am Wochenende arbeitet er in einem Weingut in Longuich, das sich im Familienbesitz befindet.

Zusammen mit seinem Kollegen, Kreisverwaltungsdirektor Hans-Jürgen Brünesholz, sorgt Jürgen Schlöder in der Verwaltung des Landkreises Birkenfeld für eine ungewohnte Kontinuität auf den Dezernentenstellen. Bereits im zehnten Jahr ist der Regierungsdirektor Bindeglied zwischen Abteilungen und Landrat. Er kümmert sich um Sicherheit, Ordnung und Verkehr, Bauwesen,Umweltschutz, Veterinärwesen und Landwirtschaft sowie mit Brünesholz um den Kreisrechtsausschuss. Spagat über 50 Kilometer hinweg

Kompetent, ruhig und umsichtig leitet der Mann mit der Fliege sein Ressort. Seinen Wohnsitz hat der Jurist nach wie vor in Longuich - und das wird so bleiben. Denn er ist in seiner Heimatgemeinde fest verwurzelt und sieht keine Probleme, den Spagat über 50 Kilometer auch in Zukunft zu meistern: "Ich bin direkt auf der Autobahn und in 35 Minuten auf meinem Arbeitsplatz - nach Trier-West bräuchte ich genauso lange." Zumal er sich in der Kreisverwaltung Birkenfeld ausgesprochen wohl fühlt, hegt er nach eigenem Bekunden keine Abwanderungsgedanken. Nach Feierabend und vor allem zu den Öffnungszeiten der Vinothek am Freitagnachmittag und am Samstag engagiert sich der Moselaner im Weingut, das seit 1812 in Familienbesitz ist: Damals erwarben seine Vorfahren die Westhälfte der Alten Burg in Longuich vom französischen Staat, der sie 1802 zum Nationaleigentum erklärt hatte. "Bereits seit über sechs Jahrhunderten wird in der Alten Burg Weinbau betrieben", geht Schlöder auf die Ursprünge ein, als die Ritter Platt von Longuich die Festung errichteten. Auf einem Baudelikt, schmunzelt der 46-Jährige, basiert die von der ausgestellten Kopie einer Urkunde aus dem Landeshauptarchiv bezeugte erste urkundliche Erwähnung von 1360. Eigentümer war seinerzeit Gerhard Platt von Longuich, für den noch jedes Jahr vier Stiftungsmessen gelesen werden. Sein Konterfei ziert die Etiketten der besten und typischsten Schlöder-Weine. Weil die Westseite nach 1812 stets als Ökonomie- und nicht als Wohngebäude diente, blieb ihr Stil weitestgehend erhalten. Ganz entscheidend zu der heute bei den Weinproben erlebten Atmosphäre des spätgotischen Weinhofs trug die Restaurierung der ehemaligen Ölmühle in original Lehmbauweise durch den pfälzischen Restaurator Waldemar Eider bei. Um den historischen Charakter des Bauwerks wieder herzustellen, waren von 1985 bis 1987 enorme Investitionen erforderlich. Diese tätigte noch Rolf Schlöder, der dafür den Denkmalpflegepreis der Handwerkskammer Trier erhielt, aber vor zwölf Jahren starb. In die Bresche sprangen Jürgen und Kathrin Schlöder - die Ehefrau ist erste Kraft des Weinguts Franz Schlöder-Thielen, das zur Unterscheidung den Geburtsnamen der Mutter des Juristen, dessen elfjähriger Sohn ebenfalls Franz heißt, als Zusatz erhielt. Reines Rieslingweingut, ausschließlich Steillagen, die ein mediterranes Mikroklima schaffen, in denen die späte Rebsorte voll ausreift und Eichenholzfass - diese an der Mosel heute eher seltene Kombination zeichnet den Traditionsbetrieb aus, der schon früh auch zur Sektherstellung zugelassen wurde. Zur Philosophie gehört die Verbindung hochwertiger Produkte, des Baudenkmals und Aktivitäten wie Theater, Comedy und Ausstellungen im 50 Personen fassenden Weinproben-Raum zu "Weinkultur". Während der Hausherr gerade einer Gruppe aus Hannover lebendig den Steillagenweinbau, den Ausbau des Mostes im Keller der Alten Burg und die Schwierigkeiten der individuellen Gärunterbrechung schildert, von den unterschiedlichsten Jahrgängen und Qualitätsstufen erzählt, bereitet die Chefin mit zwei Helferinnen in der Remise die Spezialität des Hauses zu: Flammenkuchen mit fünf Stunden lang gedünsteten Zwiebeln, die nach einer Minute im Steinbackofen serviert werden. In der Weinlese haben die Schlöders weniger Stress als andere: Dank der Bewirtschaftungsverträge mit Winzern, die die Trauben in der Alten Burg anliefern, können sie sich ganz auf den Weinausbau und die Vermarktung der 12 000 Flaschen konzentrieren. Im Mai, Juni, September und Oktober kommen viele Gruppen - überwiegend Stammgäste - zur Weinprobe. Die Mundpropaganda hat die Alte Burg in weiten Teilen Deutschlands bekannt gemacht.

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