Plädoyer für Selbstständigkeit

Neunkirchen/Hermeskeil · Der Neunkirchener Ortsbürgermeister Richard Pestemer wehrt sich gegen den Eintritt in die Einheitsgemeinde Morbach. Eine andere Option wäre die Verbandsgemeinde Hermeskeil.

 Der Besucherandrang bei der Ratssitzung ist für Richard Pestemer ein Indiz für großes Interesse an der Kommunalpolitik. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Der Besucherandrang bei der Ratssitzung ist für Richard Pestemer ein Indiz für großes Interesse an der Kommunalpolitik. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"

Neunkirchen/Hermeskeil Die kontroverse Diskussion um die Kommunalreform mit der Frage, welcher Kommune sich die 162 Einwohner große Gemeinde Neunkirchen (Kreis Bernkastel-Wittlich) anschließen soll, hat den Ortsgemeinderat ein weiteres Mal beschäftigt.Anlass diesmal ist eine Unterschriftenaktion, die die Neunkirchenerin Anne Schlags initiiert hat. Dabei hat sie 66 Unterstützer sammeln können, mit denen sie nun für eine Infoveranstaltung zur Kommunalreform mit den Bürgermeistern der Einheitsgemeinde Morbach und der Verbandsgemeinde Hermeskeil wirbt. Nach Auskunft von Ortsbürgermeister Richard Pestemer haben in der Zwischenzeit neun Bürger ihre Unterschrift zurückgezogen. Mehr als 50 Zuschauer haben die Ratssitzung verfolgt, laut Pestemer ein Indiz für das große Interesse an Kommunalpolitik. Der Ortsbürgermeister bekräftigte in seiner Ansprache immer wieder das deutliche Ja zur rechtlichen Selbstständigkeit seiner Ortsgemeinde. Er kann keine Änderung zur Situation von 2012 erkennen, als sich die Neunkirchener in einem Bürgerentscheid gegen einen Wechsel in die Einheitsgemeinde ausgesprochen hatten. Er spricht von einer "Unterordnung" in die Einheitsgemeinde Morbach. In der sich anschließenden Diskussion melden sich offensichtliche Befürworter eines Wechsels nach Morbach. "Die sind seit 40 Jahren in einer Einheitsgemeinde und wollen nicht mehr zurück, sind die dümmer als wir?" Als die Diskussion auf die finanziellen Auswirkungen der Fusion mit Morbach kommt, stellt Pestemer die Budgets für die Ortsteile infrage. Denn eine neue große Einheitsgemeinde müsse die Schulden von Thalfang übernehmen, die er mit 40 Millionen Euro beziffert. Die Budgets seien eine freiwillige Leistung, es könne sein, dass diese nicht mehr gezahlt werden könnten. "Die Morbacher sind nicht genügend informiert", sagt er. Pestemer stellt außerdem dar, was die Neunkirchener bei einem Wechsel zu einer Einheitsgemeinde zu verlieren haben. Das sei bei keiner Veranstaltung, auf der der Bürgermeister gewesen war, bisher dargestellt worden, sagt er. Was einen Bürger zur Rückfrage veranlasst hat, welche Vorteile es denn gebe. "An Rechten sehe ich keinen Zugewinn", sagt der Ortsbürgermeister. Bei der Diskussion haben sich neben Bürgern auch politische Vertreter anderer Gemeinden zu Wort gemeldet, - zum Teil auch mehrmals, was ein Besucher kritisierte. Selbst die Ortsbürgermeisterin von Malborn, Petra Hogh, hielt in der Diskussionsrunde einen längeren Redebeitrag über ihre Ansichten zur Gemeindeverfassung. Ein Anwohner meinte daraufhin: "Ich wundere mich, dass die selbstständigen Neunkirchener Hilfe brauchen aus Malborn, Breit und Heidenburg." Der Neunkirchener Rat hält an seinem Beschluss fest, die Selbstständigkeit nicht aufzugeben. Trotzdem soll eine Infoveranstaltung mit Bürgermeister Michael Hülpes aus Hermeskeil und Andreas Hackethal aus Morbach stattfinden. Dazu hat der Rat entschieden, dass Pestemer, ein weiteres Mitglied des Rates und Unterschriftensammlerin Schlags von Haus zu Haus gehen und die Bürger um konkrete Fragen bitten. Darüber hat der Rat abgestimmt, ohne dies laut Schlags mit ihr abzusprechen. Dennoch signalisierte sie Bereitschaft zu der Aktion. KommentarMeinung

Nicht mehr und nicht wenigerDie Selbstständigkeit des Dorfes Neunkirchen ist manchen im Ort sehr viel wert, ganz besonders dem Bürgermeister. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch um den gestalterischen Freiraum für die Zukunft. Da klingen Stichworte wie ökologische Landwirtschaft, Selbstversorgung, eigene Forstwirtschaft und auch die Bevorzugung der Entwicklung des Dorfkerns vor der Planung von Neubaugebieten mit, jene auch in Morbach geschätzte Doktrin "Innenentwicklung vor Außenentwicklung". Ist es aber nötig, in einer Sitzung, in der es einzig und alleine um Neunkirchener Belange geht, Vertretern anderer Gemeinden, die bekannte Verfechter der Selbstständigkeit sind, so viel Raum in der Diskussion zu geben? Ist es dafür nötig, eine Bürgerin des Ortes mit einem Gemeinderatsbeschluss zu überraschen, in dem ihr Name genannt wird? Ist die daraus folgende "Runde durch das Dorf" mit eben dieser Bürgerin nötig? Den Neunkirchenern geht es doch einzig und allein darum, in einer eigenen Info-Veranstaltung beide Seiten hören zu können, um sich ihr eigenes Bild zu machen. Nicht mehr und nicht weniger. Extra: KEINE KREDITE NÖTIG

Ein Ratsmitglied hat während der Sitzung gesagt, dass Morbach zehn Millionen Liquiditätskredite aufgenommen habe. Der Morbacher Büroleiter Theo Gätz sagt auf TV-Anfrage, dass die Einheitsgemeinde schon "seit Jahren" keine Liquiditätskredite benötigt habe. Die Investitionskredite der Einheitsgemeinde betrugen Ende 2016 6,9 Millionen Euro. Je nachdem, wie viele Windräder am Ranzenkopf gebaut werden, kann diese Summe bis Ende 2017 auf 9,2 Millionen Euro ansteigen.

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