Rundum-Sorglos-Paket oder Marke Eigenbau (Zu) anspruchsvolles Leitbild?

Die Gemeinde Morbach soll zunächst im Kernort eine Nahwärme-Versorgung erhalten. Doch wie diese konkret aussehen wird und wer sie betreibt, ist noch offen. Am Montagabend informierten sich die Ratsmitglieder über Alternativ-Vorschläge. Ist das Morbacher Leitbild 2020 zu ehrgeizig? Über diese Frage wurde im Gemeinderat diskutiert. Das Ziel wurde beibehalten, das Leitbild mit einer Enthaltung verabschiedet.

Morbach. Die Gemeinde Morbach soll eine Nahwärme-Versorgung bekommen. Angeschlossen werden sollen wichtige öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergarten und Freibad sowie eventuell später auch Gewerbebetriebe und private Haushalte. Die entscheidende Frage bei diesem Schritt: Macht die Gemeinde dies in Eigenregie oder geschieht die Versorgung in einem sogenannten "Contracting"-Verfahren?

Die OIE, eine RWE-Tochter aus Idar-Oberstein und einer der größten Nahwärme-Versorger in der Region, bietet ein "Rundum-Sorglos-Paket" vom Bau der Heizanlage auf der Basis eines Hackschnitzelheizung (800 Kilowatt), eines Öl-Reservekessels (2400 KW) sowie eines Leitungsnetzes inklusive Betrieb und Wartung an, führte Norbert Schmidt von der Oberstein-Idarer Elektrizitätswerke AG, kurz OIE AG, aus.

Hackschnitzel aus dem Morbacher Forst



Mit zum OIE-Konzept gehört die Abnahme von Holzhackschnitzeln aus dem Morbacher Gemeindeforst. Die Investition des Unternehmens würde sich auf deutlich mehr als eine Million Euro belaufen. Der Anschluss zusätzlicher Abnehmer ist nach Angaben des OIE-Vertreters nur begrenzt möglich.

Leo Riebenbauer, der ein Planungsbüro in der Steiermark, Österreich, betreibt, schlug dem Gemeinderat einen komplett anderen Weg vor. Sein Büro plane und baue die Anlage nach Wunsch der Kommune, die diese im Nachgang selbst betreibt. Er schätzt die Baukosten auf rund 1,5 Millionen Euro. Der Gemeinde würden allerdings viele Optionen offen bleiben.

Empfehlenswert ist aus der Sicht Riebenbauers ein maßgeschneidertes Konzept, für das zunächst intensiv Grundlagen ermittelt werden müssten. Der Planer aus der Alpenrepublik schlug eine Lösung mit zwei Hackschnitzel-Heizkesseln (jeweils 800 Kilowatt) zur Energie-Erzeugung vor. Damit würde die Wärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen. Zum Vorgleich: Die OIE rechnen mit 80 Prozent.

Die Mitglieder des Gremiums nutzten intensiv die Gelegenheit, die anwesenden Fachleute zu befragen: von der Einbeziehung von Sonnen-Energie bis hin zur Nutzung der Potenziale von Gewerbebetrieben. Eine Lösung zeichnete sich am Montag noch nicht ab.

Eine Entscheidung soll womöglich in der nächsten Sitzung am 10. Dezember gefällt werden. Bis dahin sollen die Fraktionen ausführlich beraten können. Zeitdruck soll es nicht geben. "Wir lassen uns Zeit bis zur Entscheidungsreife", machte Bürgermeister Gregor Eibes deutlich. Einen Beschluss gefasst hatte das Gremium zuvor, was das neue Morbacher Leitbild 2020 in Sachen Energiepolitik angeht. (siehe Artikel unten). Morbach. (iro) Ist das Ziel einer energie-autarken Gemeinde, die Morbach werden will, innerhalb von zwölf Jahren zu anspruchsvoll? Und kann man es den Bürgern vermitteln? Das sind die Bedenken, die Heribert Knob (CDU) in der Gemeinderatssitzung am Montagabend äußerte und deshalb eine andere Formulierung wünschte. Das gesteckte Ziel werde nicht leicht zu erreichen sein, räumte Bürgermeister Eibes ein, plädierte aber unbedingt dafür, es beizubehalten. Niemand wisse, was in diesen zwölf Jahren technologisch passiere. Seine Auffassung setzte sich durch. Hier Auszüge aus dem Leitbild:

Die Gemeinde wird bis zum Jahr 2020 energie-autark und noch umweltfreundlicher.

Der Kohlendioxid-Ausstoß in der Gemeinde soll bis 2020 unter 50 Prozent (Bezugsjahr 2000) sinken.

Die Bürger sollen Anreize erhalten, zu Beispiel über Bonus- und Förderprogramme zur Senkung des Schadstoffausstoßes erhalten.

Um auch jüngere Generationen in den Klimaschutz einzubinden, soll das Umweltbewusstsein in Kindergärten und Schulen gefördert werden.

Meinung

Spannende Alternative

Wenn es um eine größere Investition geht, dann schreibt die Gemeinde Morbach wie anderen Kommunen das Vorhaben aus und holt Angebote ein. In Sachen Nahwärmeversorgung ist das allerdings erst der zweite, nachgeordnete Schritt. Zuvor müssen die Ratsmitglieder eine Grundsatzentscheidung treffen. Gibt man Verantwortung und Detailplanung an einen großen Versorger ab? Oder will man das Heft von Anfang bis Ende komplett in der Hand behalten? Beide Alternativen haben ihre Vor- und Nachteile. Von der OIE AG bekäme die Gemeinde ein Standard-Modul, wie es anderswo erfolgreich erprobt wurde. Das Gegenstück aus der Steiermark wäre eine interessante Lösung, die für Morbach maßgeschneidert, aber deutlich aufwendiger wäre. Das Risiko ist dennoch überschaubar. Schließlich haben die Österreicher mit Nahwärmeprojekten langjährige Erfahrungen. "Kinderkrankheiten" sind nicht zu erwarten. Dass bei der Lösung in Eigenregie die Interessen von Aktionären nicht bedient werden müssen, ist in diesen Zeiten ein interessanter Nebenaspekt. i.rosenschild@volksfreund.de

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