Schokolade statt "Kopfgeld"

Ein einschneidendes Erlebnis vor 60 Jahren (1948) war die Währungsreform. Hierzu berichtet Horst Fetzer aus Thalfang eine Episode aus seiner Kindheit.

Thalfang. (red) Kurz nach der Währungsreform im Jahre 1948 ereignete sich folgende Geschichte: Ich bin gebürtiger Burtscheider und war zur Zeit der nachfolgenden Story acht Jahre alt.

Vorausschicken muss ich, dass mein Großvater nach dem Ersten Weltkrieg Dorfschmied in Burtscheid war. Leider lernte ich ihn nicht mehr kennen, da er relativ früh an einem Kriegsleiden des Ersten Weltkriegs verstarb.

Nun übernahm der damalige Schmied von Beuren namens Schmidt unsere Schmiede und arbeitete gelegentlich in Burtscheid, wodurch sich eine bis heute andauernde gute Freundschaft über die kleine Dhron hinweg entwickelte. Im Sommer 1948 schickte mein Onkel, der gerade aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, mich und meinen Freund Friedhelm Klein zum Schärfen der Pflugscharen nach dem vier Kilometer entfernten Beuren. Friedhelm Klein war übrigens später lange Zeit Ortsbürgermeister, bis er leider allzu früh verstarb.

Guten Mutes machten wir uns auf den Weg über die kleine Dhron nach Beuren. In Ermangelung an Kleingeld hatte jeder einen Zwanzigmarkschein in der Tasche, was damals ungefähr der Hälfte des sogenannten "Kopfgeldes" entsprach. Beim oben erwähnten Dorfschmied Schmidt angekommen waren die Scharen schnell geschärft und wir machten uns unverzüglich auf den Rückweg. In der Ortsmitte von Beuren lauerte jedoch eine gewaltige Versuchung auf uns. Die Tochter vom Schmied Schmidt betrieb schon damals hier ein kleines Lebensmittelgeschäft. Im Schaufenster lagen - welch verlockender Anblick - etliche Tafeln Schokolade. Dieses Genussmittel war uns nur dadurch bekannt, dass die 1945 einmarschierenden amerikanischen GIs uns von ihren Jeeps schon mal eine Tafel zugeworfen hatten. Kurz entschlossen kauften wir je zwei Tafeln zum horrenden Preis von neun Mark, so dass vom "Kopfgeld" nicht viel übrig blieb.

Zu Hause angekommen erwartete uns ein gewaltiges Donnerwetter. Vor härterer Bestrafung rettete uns nur die Tatsache, das im Dorf eine Hochzeit stattfand. Der Ostpreuße Fritz Sommerfeld heiratete ein Mädchen aus Burtscheid. Es mag wie eine wundersame Fügung erscheinen, dass Fritz Sommerfeld am gleichen Tag seine beiden Brüder Heinz und Gerhardt, gerade aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrend, in die Arme schließen konnte. Somit fand unsere Verfehlung, die ein großes Loch in die Haushaltskasse gerissen hatte, ein relativ gütliches Ende.

Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen oder zu einem Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, schreiben Sie unter dem Stichwort "Dorfgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse hunsrueck@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 60 Druckzeilen (à 30 Anschlägen) umfasst.

Weitere Zeitzeugenberichte lesen Sie auf Seite 27.

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